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September. Fata Morgana

Titel: September. Fata Morgana
Autoren: Thomas Lehr
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    Muna
     
    Unsere Geschichte
    hängt in der Luft in der Nacht
    Schwester denn du beendest sie nicht ihr seidener Faden hält unser Leben unsichtbar im Dunkel wer ihn zerschneidet
    braucht es nicht gewusst zu haben
    immer schon wunderte es mich weshalb es den König nicht störte dass Dinarasad jede Nacht unter seinem Bett lag und ich fragte mich auch um was für ein Bett es sich handelte damit sie darunter liegen konnte ich denke es mir oben wie einen kleinen Palast aus Seidenkissen Flamingofedern schwellendem Purpur Rosenblättern und Zungen und darunter den Staub die Knochen die Spinnweben ich habe keine Ahnung wie sie die Schlafstätten der Könige bauten
    im Inselreich von Indien und China
    im Fernen Osten in dem es noch exotischere Märchen geben soll als hier in Bagdad nirgendwo fantasiert man besser als unter dem mächtigen Bett meines Großvaters (ich kannte ihn nicht er starb ein Jahr vor meiner Geburt und war eine Art Radio- und Fernsehkönig) in seinem Haus in Wasiriya in dem ich mit Sami Verstecken spielte um auch ihn so oft unter jenem Bett zu finden in dem meine Großmutter alleine schlief schon seit mehr als tausend Nächten
    an jenem Tag vor drei Wochen an dem ich
    siebzehnjährig
    nur aus Spaß noch einmal das Versteckspiel wiederholte (allein) dieses Sich-Begraben am helllichten Tag Skorpion im Wüstensand während draußen im Innenhof seit Stunden die Hochzeitsgesellschaft tafelt trinkt tanzt liege ich noch einmal unter dem nach Rosenwasser Lavendelsträußchen Moder und getrockneten Orangenschalen riechenden Bett der Spaß den ich mir machte war aber nur die Flucht
    vor der Flucht es war doch so dass ich den kalt triefenden Blick (Spucke auf Eiswürfeln) des Majors nicht mehr ertrug dieses angeblichen Freundes des zu allem lächelnden Bräutigams meiner Schwester
    still lag ich unter dem Lattenrost im Grab der verwitweten Frauen ich wünschte mir Sami an meine Seite noch einmal als Zehn- oder Zwölfjährigen vergnügt ohne Angst zu allem bereit dann hätten wir dem Major heimlich Salz in den Arrak geschüttet oder gar hineingespuckt in den Nebel den er trinkt das Glas strahlte im Innenhof für eine Sekunde so leuchtend weiß auf wie das perlenbesetzte Kleid meiner Schwester Täubchen sagte er zu mir wie zu einem Kind und streifte scheinbar versehentlich mit dem Ellbogen meine Brust Täubchen und ich sah den kurdischen Jungen am Rand des Saadun-Parks vor mir der die Federn aus einer von einem Auto angefahrenen Taube riss aus mir als liefe das Blut
    aus meinen Brustwarzen
    die ich jetzt mit flachen Händen schütze während der Rost unter der großen Matratze sich biegt Schwester fast stößt er mir ins Gesicht auch dich nennt er Täubchen Jasmin diese Stimme gerade als ich unter dem Bett wieder hervorkriechen wollte ich muss dich jetzt haben heute hier als Braut es ist vielleicht das letzte Mal glaub mir ach was Kasim wird nichts merken ich werde mit ihm saufen bis er seinen Hosenschlitz nicht mehr aufkriegt leg dich doch mein Täubchen
    und wie du muss ich die Beine öffnen die Knie nach außen drehen den Kopf abwenden als wollten mich die schwingenden Latten (grau staubig hart) küssen mir Nase und Zähne brechen
    ihr
    das Ungeheuer
    gegürtet mit federnden Spanten
    der König Tod in dir sein Pfahl ich sah ihn nur als Stein Onyx eines Gottes in einer Vitrine und als schlackerndes Anhängsel meines Bruders bevor er zur Schule ging wiegt er dich (von innen) was weiß er schon von deinen Schätzen Schwester was für ein stöhnendes Kamel ihr geworden seid in einer Wüstennacht Kamel mit zwei gegenüberliegenden Buckeln
    Tauben
    in der Nacht weiß schwarz schwarz weiß
    Nacht vernagelt mit ächzendem Holz brecht nicht die Knochen meines Gesichts meine Rippen unter fröstelnder Haut unter dem Ansturmdes Rosts des Saurierbrustkastens in dem ihr wütet Rippe an Rippe ich spüre euer Herz das Herz eines roten Ifrit es könnte ein Schiffskiel sein der über mich hinwegfährt der ganze Rumpf eines Schiffs der Lattenrost zurechtgebogen neu verfugt vergrößert hoch in der Luft Schwester
    euer Bett ist
    das Segelschiff deiner verräterischen Liebe
    in einem rauschenden Himmel hinter meinen geschlossenen Lidern sehe ich unendlich weit als wäre eure Dau von einem Hafen inmitten der Wüste direkt in den Himmel ausgelaufen Sand trockene Körner rieseln auf meine Wangen welche Figuren nur bewegen sich in den geblähten Segeln unter den steilen Rahen machtvoll bläst uns der Wind hinauf oder zieht euch die
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