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Saigon - Berlin Thriller

Titel: Saigon - Berlin Thriller
Autoren: Hef Buthe
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kommt und sich erst einmal mit seinem Kind beschäftigt. Die Last des Tages dabei vergisst. Ich war nie da gewesen, wo ein heranwachsender Mensch eine Familie gebraucht hätte. Wenn ich ehrlich bin, hatte ich mich jeder Verantwortung entzogen. Ich war damals selbst noch ein Kind gewesen. Ein böses, zorniges Kind von 22 Jahren. Solche brauchten die Regierungen. Mit den informationsgeilen Medien im Schlepptau, um Soldaten oder Reporter in den Krieg zu schicken. In den großen, blutigen Sandkasten.
    »Dann ist deine Tochter jetzt zwanzig. Aber der Name ist nur teilweise vietnamesisch; damit werden wir sie finden. Wenn sie noch in Berlin ist und der Sampan sie nicht schon als Hure verkauft hat.«
    Hure? Meine Tochter? Wer war der Sampan? Ein Sampan war eigentlich ein vietnamesisches Hausboot auf den Seitenarmen des Saigon- und Mekong-Flusses. Oder der Vater einer Familie.
    Phong wimmelte meine Fragen mit einer Handbewegung ab. »Du hast in der Kneipe einen Termin. Geh. Ich bleibe hier. Sonst heißt es wieder, dass die Vietnamesen ein Auto gestohlen haben. Lass den Motor laufen, sonst wird mir kalt, und ich bin ohne Musik. Ich esse die Reste von Olga und werde auf dich warten. Dann werden wir eine Lösung finden.«
    Alle Alarmanlagen in mir gaben Laut. Ich sollte einem Vietcong ein hunderttausend Westmark teures Auto mit laufendem Motor überlassen? Das schrie geradezu nach Diebstahl.
    »Ich weiß, was du denkst«, murmelte Phong. »Aber, wenn du schon eine Tochter aus unserem Land in deinem Land suchen musst ... wo soll das hinführen? Vertrau mir einfach. Wenn dein Auto nachher trotzdem weg sein sollte, dann hat mich der Sampan auch geholt. Und dann gibt es auch für deine Tochter keine Rettung mehr.« Phong raschelte in Olgas Tüte und förderte Buletten und eine Tube Senf zutage, die er auf dem Armaturenbrett über den Beheizungsschlitzen der Windschutzscheibe aufreihte. Praktisch denken konnten sie, diese Vietnamesen ...
    »Wer ist der Sampan?«
    Phong stellte den Suchlauf im Radio ein. Das Leuchtdisplay lief durch. Bei »soul« drückte er die Stopptaste.
    »Das weiß niemand außer den Opfern. Und die werden nie wieder gefunden. Dem Vernehmen nach muss er im Krieg gewesen sein. Er spricht unsere Dialekte perfekt, scheint aber einen französischen und deutschen Pass zu haben. Handelt mit allem, was Geld bringt: Rauschgift, Waffen, junge Mädchen. Er kontrolliert die Kneipenszene, in der Russen und Bonzen aus dem Westen verkehren. Mehr weiß ich nicht. Solch einen Menschen kann ich mir von der Erfahrung meines Alters und meinen finanziellen Mitteln nicht leisten. Geh endlich. Sonst ist dein Tank bald leer.«
    Ich stieg aus. Etwas anderes blieb mir nicht übrig. Sonst hatte ich keine Chance mehr, der »Einladung« des Grenzers Hauptwachtmeister Steiger zu folgen. Oder war es eine Vorladung? Ich saß aber auch zwischen allen Stühlen, die ich hatte finden können.
    Ich beugte mich noch einmal in den Wagen zurück. »Du bist doch nicht so ahnungslos, wie du tust!« Phong kaute eine kalte Bratwurst. Die Buletten brutzelten über der Scheibenheizung. Der Autoverleih würde seine Freude haben. »Wenn ich zurückkomme, will ich mehr wissen. Benutze von mir aus das Autotelefon ... wenn das Ding geht. Aber gib mir eine Antwort.«
    »Das Telefon funktioniert ...«, hörte ich noch, bevor die Tür ins Schloss fiel.
    Es wollte nicht aufhören zu schneien. Die Tür zum »Jahnstadion« quietschte in den Angeln. Wie hier alles nur noch irgendwelche Zerfallsgeräusche von sich zu geben schien.
    Es war 20.15 Uhr. Ich war weit über die Zeit.
    Ein Qualmgemenge schlug mir entgegen. Stinkender Zigarettenrauch und Schweiß von schwitzenden alten Menschen. Vor sich hinmüffelnde Jacken, die nicht trocknen wollten. Verbranntes Gebratenes und ein betäubender Lärm von sich überkreuzenden Diskussionen.
    »Sie sind spät dran. Ist meine Schuld. Ich hätte Ihnen bei diesem Wetter eine bessere Wegbeschreibung geben sollen.«
    Der Hauptwachtmeister saß allein an einem Ecktisch. Im blauen Trainingsanzug und einem selbst gestrickten Schal um den Hals. Er wischte sich den Mund mit einem Taschentuch ab. Die Reste von Senf auf seinem Teller zeugten von einer Bratwurst oder einer Bulette, die da mal drauf gelegen haben mussten.
    »Aber mehr Informationen konnte ich Ihnen zu meiner eigenen Sicherheit in der Kürze leider nicht geben. Rauchen Sie?« Er klopfte eine dieser stinkenden Zigaretten aus der Pappschachtel.
    Ich wehrte ab. Bot ihm ein
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