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Saigon - Berlin Thriller

Titel: Saigon - Berlin Thriller
Autoren: Hef Buthe
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Zigarillo von mir an.
    »Dann trinken Sie aber etwas. Mollie, ein Gedeck für meinen Gast!«, brüllte er durch den Gastraum.
    In Anbetracht, dass ich diese Ecke Deutschlands heute Nacht noch um jeden Preis verlassen wollte, wehrte ich ab.
    »Einen Kaffee bitte. Ich muss noch fahren.«
    Steiger stutzte, blies den Rauch meines Zigarillos von sich und lachte lauthals.
    »Herr Stösser. Erstens: Was glauben Sie, warum die Wirtin hier Mollie heißt? Weil ihr Kaffee genauso schmeckt. Zweitens: Wohin wollen Sie denn heute noch? Der Wetterbericht sagt noch stärkeren Schneefall voraus. Und in den Westen kommen Sie heute Nacht nicht mehr. Die Grenzen sind aus Sicherheitsgründen bis sieben Uhr zu. Also, trinken Sie lieber ein Gedeck. Wir brauchen nur um die Ecke zu laufen. Ich habe noch ein Zimmer in der Mansarde frei. Es ist sauber«, setzte er fast entschuldigend hinzu. Kannte er die Verhältnisse bei Bratwurst-Olga? In diesem Staat schien jeder über jeden alles zu wissen. Hoffentlich legte mich der Vietcong im Auto nicht rein.
    »Sie wollten mir einen Hinweis geben, wie ich meine Tochter wiederfinden kann?« Es war an der Zeit, dass ich den Smalltalk in Bahnen lenkte, die mir weiterhalfen.
    Der Hauptwachtmeister nickte und stürzte seinen Korn hinunter. Reichte mir die Hand. »Steiger. Sag einfach Ewald zu mir. Und deinen Vornamen kenne ich ja. Hast du noch eines von diesen vorzüglichen Zigarillos?«
    Der Lärm in der Kneipe wurde unerträglich. Mehr und mehr Menschen drängten sich in den kleinen Raum. Alle rochen wie nasse Hunde. Sie brachten die Luftfeuchtigkeit von draußen mit in den überheizten Raum. Kalte Nässe in einem warmen Raum. Das war für mich ein widerlicher, vergangenheitsbelasteter Erinnerungswert.
    »Sie ... ich meine du, Ewald, wolltest mir etwas über meine Tochter sagen«, versuchte ich endlich eine Linie in unser trautes Zusammensein zu bekommen. Dieser Vietcong in meinem Wagen machte mich nervös.
    Ewald Steiger nickte bedächtig. Kramte in seinen ausgebeulten Hosen. Asche krümelte von seinem, meinem Zigarillo.
    »Erkennst du auf diesem Foto jemanden?«
    Es war ein Farbfoto. Orwo Film stand auf der Rückseite. Es zeigte mehrere junge Frauen auf einer Bühne. Verkleidet. In Kostümen. Mehr konnte ich damit nicht anfangen. Ich schüttelte den Kopf.
    »Nein? Du kannst niemand darauf erkennen? Was bist du nur für ein Vater. Das ist sie ...« Er deutete auf eine Gestalt, die in Stulpenstiefeln, einem Federbuschhut und einem Degen alle anderen überragte.
    »Deine Tochter. Und das da ist meine Tochter.«
    Sein Finger fuhr die Reihen der maskierten Mädchen entlang und tippte auf eine schlanke Gestalt, die im körperengen Anzug einer Maus steckte. Nur an ihren deutlichen Wölbungen über der Brust war sie als Frau zu erkennen.
    »Es war bei einer Aufführung der Kunstschule für die jungen Pioniere. Das machten sie gerne. Da ist die Kritik noch nicht so scharf. Die Jungen lassen sich mehr von den Körpern der jungen Weiber als von ihrem Können ablenken.«
    Ewald lächelte. Es sah wehmütig aus. Er hauchte einen Kuss auf das Foto und steckte es wieder ein.
    »Woher wissen Sie ... ich meine du ...?« Ich konnte mich an das Du gegenüber einem DDR-Grenzer einfach nicht gewöhnen. »Ich meine, woher weißt du, dass das meine Tochter ist?«
    Ewald brüllte: »Noch ein Gedeck für uns!«, kramte weiter in seinen ausgebeulten Taschen und förderte einen Zettel zutage. Er ließ ihn gefaltet vor sich liegen und wartete auf das Gedeck.
    »Hast du noch eines von diesen köstlichen Zigarillos?«
    Ich hatte. Meine Reisetasche enthielt mehr Tabakwaren als saubere Wäsche. Ein Hemd konnte man notfalls ein paar Tage anlassen. Ein Glimmstängel war nach dem Anzünden unwiederbringlich dahin.
    Genüsslich zog er den Rauch ein. Spülte ihn durch die Bronchien. Blies den Qualm wie ein Drache durch die Nüstern. Kippte den Korn in einem Zug hinterher.
    »Als ich deinen Pass sah und du sagtest, dass du deine Tochter suchst, wurde mir einiges klar.« Das Bier folgte.
    »Wer ist schon Journalist und heißt Peter-Maria Stösser? Hat Dutzende von Visa aus Asien in seinem Pass? Schau mal ...« Er schob mir den zusammengefalteten Zettel über den Tisch.
    »Das ist die offizielle Anmeldung für Untermieter, wenn jemand einen hier aufnimmt.«
    Ich entfaltete das gelochte und mit dem Stempel einer Behörde beglaubigte Papier.
    1987 war als Datum vermerkt. Meine Augen wanderten von unten nach oben. Da stand:
     
    Geschlecht des
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