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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad
Autoren: Stephen King
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SIE WAREN SCHON EINMAL HIER
     
    Aber klar doch. Sicher. Ein Gesicht wie Ihres vergesse ich nie.
    Kommen Sie herüber, lassen Sie mich Ihre Hand schütteln! Wissen Sie, ich habe Sie schon am Gang erkannt, noch bevor ich Ihr Gesicht gesehen habe. Sie hätten sich für Ihre Rückkehr nach Castle Rock keinen besseren Tag aussuchen können. Ist das nicht ein Prachtwetter? Bald fängt die Jagdzeit an, wo die Idioten in den Wäldern auf alles schießen, was sich bewegt und nicht leuchtendes Orange trägt, und dann kommen der Schnee und die Graupelschauer – aber all das hat noch ein Weilchen Zeit. Jetzt haben wir Oktober, und in The Rock lassen wir den Oktober dauern, so lange er mag.
    Für mich ist das die beste Zeit des Jahres. Der Frühling ist schön hier, aber ich ziehe jederzeit den Oktober dem Mai vor. Der Westen von Maine ist ein Landstrich, der fast in Vergessenheit gerät, wenn der Sommer den Laden dichtmacht und all die Leute von ihren Cottages am See und oben auf dem View nach New York und Massachusetts zurückgekehrt sind. Die Leute hier sehen sie Jahr für Jahr kommen und gehen – hallo, hallo, hallo; auf Wiedersehen, auf Wiedersehen, auf Wiedersehen. Es ist gut, wenn sie kommen, weil sie ihre Stadtdollars mitbringen, aber es ist auch gut, wenn sie gehen – ihre Stadtprobleme bringen sie nämlich auch mit.
    Und Probleme sind es, über die ich vor allem reden möchte – können wir uns ein Weilchen hinsetzen? Am besten auf den Stufen zum Musikpavillon da drüben. Die Sonne scheint warm, und von hier, mitten im Stadtpark, kann man fast das ganze Geschäftsviertel überblicken. Sie müssen nur wegen der Splitter aufpassen. Die Stufen müssen abgeschliffen und frisch gestrichen werden. Das ist Hugh Priests Job, aber Hugh ist noch nicht dazu gekommen. Er trinkt, müssen Sie wissen. Das ist kein großes Geheimnis. In Castle Rock können die Leute Geheimnisse wahren, und sie tun es auch, aber das ist schwere Arbeit, und es ist schon lange her, seit zwischen Hugh Priest und schwerer Arbeit etwas bestand, das man als gutes Einvernehmen bezeichnen könnte.
    Was das ist?
    Ach, das. Also wissen Sie, mein Junge – ist das nicht ein schönes Stückchen Arbeit? Diese Zettel überall in der Stadt! Ich glaube, Wanda Hemphill (ihrem Mann Don gehört Hemphills’Market) hat die meisten davon selbst angebracht. Reißen Sie’s ab und geben Sie es mir. Seien Sie nicht so ängstlich – es hat ohnehin niemand das Recht, den Musikpavillon im Stadtpark mit Zetteln zu bepflastern.
    Heiliger Strohsack! Sehen Sie sich das an! WÜRFEL UND DER TEUFEL, das steht ganz oben auf dem Zettel. In dicken, roten Buchstaben, aus denen Rauch aufsteigt, als wären die Dinger in der Hölle aufgegeben und durch Eilboten ausgeliefert. Ha! Jemand, der nicht weiß, was für ein verschlafenes kleines Nest diese Stadt ist, könnte wirklich glauben, es ginge allmählich abwärts mit uns. Aber Sie wissen ja, wie sich in einer Stadt dieser Größe die Dinge manchmal über jedes vernünftige Maß hinaus aufblähen. Und diesmal hat Reverend Willi zweifellos eine Hornisse unter der Bettdecke. Gar keine Frage. Kirchen in kleinen Städten... nun, ich glaube, darüber brauche ich Ihnen nicht viel zu erzählen. Sie kommen miteinander aus – so einigermaßen -, aber so richtig selig miteinander sind sie nie. Eine Zeitlang geht alles friedlich vonstatten, und eines Tages ist dann der Krach wieder voll im Gange.
    Aber diesmal ist es ein ziemlich heftiger Krach, und er wird mit großer Erbitterung ausgetragen. Die Katholiken, müssen Sie wissen, wollen in der Halle der Kolumbus-Ritter am anderen Ende der Stadt etwas veranstalten, das sie Kasino-Nacht nennen. Am letzten Freitag des Monats, soviel ich weiß; der Reingewinn soll für Reparaturen am Dach der Kirche verwendet werden. Das ist Our Lady of Serene Waters – Sie müssen auf der Fahrt in die Stadt daran vorbeigekommen sein, wenn Sie durch Castle View gekommen sind. Hübsche kleine Kirche, nicht wahr?
    Die Kasino-Nacht war Father Brighams Idee, aber es waren die Töchter der Isabella, die den Ball aufgefangen haben und damit losgerannt sind. Vor allem Betsy Vigue. Ich nehme an, ihr gefällt die Idee, sich in ihr raffiniertestes Schwarzes zu zwängen und Karten auszuteilen oder ein Rouletterad in Bewegung zu versetzen und zu sagen: »Ihre Einsätze bitte, meine Damen und Herren. Ihre Einsätze bitte.« Aber ich glaube, sie sind alle mehr oder weniger begeistert. Es wird zwar nur um Pfennige und Groschen
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