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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad
Autoren: Stephen King
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Markise.«
    »Was ist los?« Ihre Stimme driftete aus dem Wohnzimmer herüber.
    Er schenkte sich Milch ein und kam an die Schwelle. »Eine Markise«, sagte er. »An dem neuen Laden.«
    Sie setzte sich auf, fand die Fernbedienung und drückte auf den Knopf, der den Ton ausschaltete. Auf dem Bildschirm redeten Al und Corinne weiter über ihre Santa Barbara-Probleme in ihrem Santa Barbara-Lieblingsrestaurant, aber nur ein Lippenleser hätte sagen können, was für Probleme das waren. »Was?« sagte sie. »An diesem Needful Things-Laden?«
    »Ja«, sagte er und trank einen Schluck Milch.
    »Du sollst nicht schlürfen«, sagte sie und stopfte sich den Rest ihres Schokoladenriegels in den Mund. »Das hört sich scheußlich an. Wie oft habe ich dir das schon gesagt?«
    Ungefähr ebenso oft, wie du mir gesagt hast, ich sollte nicht mit vollem Mund reden, dachte Brian, aber er sagte nichts. Er hatte schon in frühen Jahren gelernt, sich mit Worten zurückzuhalten.
    »Tut mir leid, Mom.«
    »Was für eine Markise?«
    »Eine grüne.«
    »Gepreßt oder Aluminium?«
    Brian, dessen Vater für die Dick Perry Siding and Door Company in South Paris Fassadenverkleidungen verkaufte, wußte genau, wovon sie sprach, aber wenn es so eine Markise gewesen wäre, dann wäre sie ihm kaum aufgefallen. Markisen aus Aluminium oder Preßmetall sah man an jeder Straßenecke. Bei fast der Hälfte der Häuser in Castle Rock beschatteten sie die Fenster.
    »Weder noch«, sagte er. »Sie ist aus Stoff. Segeltuch, glaube ich. Sie ragt so weit vor, daß man darunter im Schatten stehen kann. Und sie ist gerundet, so.« Er beugte die Hände (vorsichtig, um seine Milch nicht zu verschütten) zu einem Halbkreis. »An der Vorderfront steht der Name. Sieht wirklich gut aus.«
    »Das ist doch nicht zu fassen!«
    Das waren die Worte, mit denen Cora gewöhnlich Erregung oder Erbitterung zum Ausdruck zu bringen pflegte. Brian trat für den Fall, daß es sich um das letztere handelte, vorsichtshalber einen Schritt rückwärts.
    »Was meinst du, was es ist, Ma? Vielleicht ein Restaurant?«
    »Ich habe keine Ahnung«, sagte sie und griff nach dem Princess-Telefon auf dem Beistelltisch. Um es zu erreichen, mußte sie die Katze Squeebles, die Fernsehzeitung und eine Dose Diätcola beiseiteschieben. »Aber es hört sich irgendwie faul an.«
    »Mom, was bedeutet Needful Things eigentlich? Ist das so etwas wie...«
    »Stör mich jetzt nicht, Brian. Mummy hat zu tun. Im Brotkasten sind Devil Dogs, wenn du einen möchtest. Aber nur einen, sonst verdirbst du dir den Appetit aufs Abendessen.« Sie wählte bereits Myras Nummer, und gleich darauf diskutierten sie überaus angeregt über die grüne Markise.
    Brian, der keinen Devil Dog wollte (er liebte seine Ma sehr, doch manchmal verdarb ihm schon das Zusehen, wie sie aß, den Appetit), setzte sich an den Küchentisch, schlug sein Mathematikbuch auf und machte sich an die Hausaufgaben. Er war ein intelligenter, gewissenhafter Junge, und die Mathematik war der einzige Teil der Hausaufgaben, den er nicht schon in der Schule erledigt hatte. Während er methodisch Kommas verschob und dividierte, lauschte er dem Teil, den seine Mutter zu dem Gespräch beitrug. Sie teilte Myra abermals mit, daß sie bald noch einen Laden haben würden, in dem stinkende alte Parfum flaschen und Bilder von den toten Verwandten irgendwelcher Leute verkauft würden, und daß es wirklich eine Schande war, wie solche Läden kämen und gingen. Da draußen gab es einfach zu viele Leute, erklärte Cora, deren Motto im Leben hieß, Geld zu kassieren und sich dann aus dem Staub zu machen. Als sie von der Markise sprach, klang es, als hätte sie jemand nur deshalb anbringen lassen, um sie zu kränken, und als wäre ihm das voll und ganz gelungen.
    Ich glaube, sie denkt, jemand hätte es ihr sagen müssen, hatte Brian gedacht, während sein Bleistift über das Papier glitt, Zahlen übertrug und abrundete. Ja, genau das war es. Sie war neugierig, das war Nummer eins. Und sie war stocksauer, das war Nummer zwei. Und die Summe von beiden machte sie fast verrückt. Nun, sie würde es bald genug herausfinden. Und wenn sie es tat, würde sie ihn vielleicht in das große Geheimnis einweihen. Und wenn sie dazu zu beschäftigt war, würde er es vielleicht erfahren, indem er einem ihrer Nachmittagsgespräche mit Myra zuhörte.
    Aber wie es sich ergab, fand Brian noch vor seiner Mutter oder Myra oder sonst irgend jemand in Castle Rock eine ganze Menge über Needful Things
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