Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
– so etwas wie aus The Twilight Zone. Natürlich war Ace nicht einmal hier, als sein Onkel ins Gras biß; er saß gerade im Gefängnis von Shawshang den Rest der vier Jahre ab, zu denen er wegen Einbruchs verurteilt worden war. (Die Leute haben schon immer gewußt, daß es mit Ace Merrill einmal ein böses Ende nehmen würde; als er zur Schule ging, war er einer der übelsten Typen, die je in dieser Stadt lebten, und es muß mindestens hundert Kinder gegeben haben, die schnell auf die andere Straßenseite überwechselten, wenn sie Ace auf sich zukommen sahen, mit den Schnallen und Reißverschlüssen, die an seiner Motorradjacke klimperten, und den Nägeln unter seinen Bergarbeiterschuhen, die aufs Pflaster dröhnten.) Dennoch glauben ihm die Leute, müssen Sie wissen; vielleicht war wirklich etwas seltsam an dem, was Pop an diesem Tag widerfahren ist, aber vielleicht ist auch das nur Gerede drüben in Nan’s Laden, bei Kaffee und Apfelkuchen.
    Höchstwahrscheinlich geht es hier nicht anders zu als da, wo Sie zu Hause sind. Leute, die sich über Religion in die Haare geraten, Leute, die Fackeln schwenken, Leute, die Geheimnisse hüten, Leute, die einen Groll hegen – sogar hin und wieder eine unheimliche Geschichte wie das, was an dem Tag, an dem Pop in seinem Trödelladen umkam, passiert oder nicht passiert ist – eine Geschichte, die einem langweiligen Tag ein bißchen Würze verleiht. Castle Rock ist immer noch ein recht hübsches Städtchen, in dem man leben und es sich gutgehen lassen kann, wie es auf dem Schild am Ortseingang heißt. Die Sonne scheint hell auf den See und auf die Blätter der Bäume, und an einem klaren Tag können Sie von Castle View bis nach Vermont hinüberschauen. Die Sommergäste geraten sich wegen der Sonntagszeitungen in die Haare, und auf dem Parkplatz vom Mellow Tiger kommt es am Freitagabend oder am Samstagabend (manchmal an beiden Abenden) hin und wieder zu einer Prügelei; aber die Sommergäste reisen immer wieder ab, und auch die Prügeleien dauern nicht ewig. The Rock ist immer einer der guten Orte gewesen, und wissen Sie, was wir sagen, wenn jemand verrückt spielt? Wir sagen Er kommt darüber hinweg oder Sie kommt darüber hinweg.
    Henry Beaufort zum Beispiel hat es satt, daß Hugh Priest immer, wenn er betrunken ist, gegen das Rock-Ola tritt – aber Henry wird darüber hinwegkommen. Wilma Jerzyck und Nettie Cobb sind wütend aufeinander – aber auch Nettie wird vermutlich darüber hinwegkommen, und bei Wilma Jerzyck gehört das Wütendsein einfach zum Leben. Sheriff Pangborn trauert noch immer um seine Frau und seinen jüngeren Sohn, die bei einem Unfall ums Leben kamen; das war wirklich eine Tragödie, aber mit der Zeit wird auch er darüber hinwegkommen. Polly Chalmers,’ Arthritis wird und wird nicht besser – sie wird sogar schlimmer, jeden Tag ein bißchen mehr -, und sie wird vielleicht nicht darüber hinwegkommen, aber sie wird lernen, damit zu leben. Wie Millionen andere auch.
    Hin und wieder geraten wir aneinander, aber meistens geht alles seinen normalen Gang. So ist es jedenfalls immer gewesen, bis jetzt. Doch nun muß ich Ihnen ein wirkliches Geheimnis verraten, mein Freund; vor allem deshalb habe ich Sie gebeten, sich zu mir zu setzen, als ich sah, daß Sie wieder in der Stadt sind. Ich glaube, uns stehen Probleme ins Haus – wirklich schwerwiegende Probleme. Ich kann es riechen, direkt hinter dem Horizont, wie ein nicht in die Jahreszeit passendes Gewitter mit vielen Blitzen. Der Streit zwischen den Baptisten und den Katholiken über die Kasino-Nacht, die Bälger, die sich über den armen Slopey und sein Stottern lustig machen, John LaPointes Fackel, Sheriff Pangborns Trauer – ich glaube, diese Dinge werden sich neben dem, was uns bevorsteht, wie ziemlich kleine Fische ausnehmen.
    Sehen Sie das Haus da drüben auf der anderen Seite der Main Street? Drei Türen von der Lücke entfernt, wo früher das Emporium Galorium stand? Mit der grünen Markise davor? Ja, genau das meine ich. Die Fenster sind alle zugekalkt, weil der Laden noch nicht geöffnet ist. NEEDFUL THINGS steht auf dem Schild – aber was zum Teufel soll das heißen? Ich weiß es auch nicht, aber das ist der Ort, von dem das ungute Gefühl auszugehen scheint.
    Genau von diesem Laden.
    Schauen Sie noch einmal die Straße hinauf. Sehen Sie den Jungen dort? Der sein Fahrrad schiebt und aussieht, als hätte er den schönsten Tagtraum, den ein Junge jemals hatte? Verlieren Sie ihn nicht aus den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher