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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad
Autoren: Stephen King
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Augen. Es war ein Honda Civic, nichts Besonderes. Aber für Eddie war er etwas Besonderes, weil es der erste und einzige brandneue Wagen war, den er in seinem Leben besessen hat. Und Sonny hat nicht nur Pfuscharbeit geleistet, sondern ihn obendrein noch übers Ohr gehauen. Das ist Eddies Version der Geschichte. Warburton benutzt nur seine Hautfarbe, um sich um die Bezahlung der Reparaturrechnung zu drücken – das ist Sonnys Version der Geschichte. Sie wissen, wie das so geht, nicht wahr?
    Daraufhin zerrte Sonny Jackett Eddie Warburton vor Gericht. Ein Bagatellfall, sicher, aber es gab einiges Gebrüll, zuerst im Gerichtssaal und dann in der Vorhalle. Eddie behauptete, Sonny hätte ihn einen dämlichen Nigger genannt, und Sonny behauptete, nun, Nigger habe ich ihn nicht genannt, aber der Rest stimmt aufs Wort. Schließlich war keiner von beiden zufrieden. Der Richter verlangte von Eddie, daß er fünfzig Dollar ausspuckt, wozu Eddie sagte, das wären fünfzig Dollar zuviel, und Sonny sagte, das wäre bei weitem nicht genug. Und das nächste, was dann passierte, war ein Kabelbrand in Eddies neuem Auto, und es endete damit, daß Eddies Civic auf dem Schrottplatz draußen an der Town Road Nr. 5 landete. Und jetzt fährt Eddie einen ’82er Oldsmobile, der Öl verliert. Eddie hat sich nie von dem Gedanken freimachen können, daß Sonny Jackett wesentlich mehr über diesen Kabelbrand weiß, als er je zugeben würde.
    Nun ja, Leute haben mehr Spaß als sonst jemand, ausgenommen Pferde, und die merken es nicht. Ist das alles nicht mehr, als Sie an einem so warmen Tag verkraften können?
    Aber so ist das Leben nun einmal in einer kleinen Stadt – ob sie nun Peyton Place heißt oder Twin Peaks oder Castle Rock, es sind Leute, die Kuchen essen und Kaffee trinken und hinter vorgehaltener Hand übereinander reden. Da ist Slopey Dodd, immer ganz allein, weil sich die anderen Bälger über sein Stottern lustig machen. Da ist Myrthle Keeton, und wenn sie ein bißchen verloren und verstört aussieht, als wüßte sie nicht recht, wo sie sich befindet oder was um sie herum vorgeht, so liegt das daran, daß ihr Mann (der Typ, der eben hinter Eddie Warburton die Treppe hinaufging) in den letzten sechs Monaten oder so ein völlig anderer geworden zu sein scheint. Sehen Sie, wie verschwollen ihre Augen sind? Ich nehme an, sie hat geweint oder schlecht geschlafen oder beides. Finden Sie nicht auch?
    Und dort geht Lenore Potter. Sieht aus, als käme sie direkt aus einer Hutschachtel. Wahrscheinlich auf dem Weg zu Western Auto, um nachzufragen, ob ihr spezieller organischer Dünger eingetroffen ist. Um das Haus dieser Frau herum wachsen mehr Blumen, als Carter Leberpillen hat. Und sie ist ungeheuer stolz darauf. Bei den Damen der Stadt ist sie nicht sonderlich beliebt – sie halten sie für hochnäsig, wegen ihrer Blumen und ihrer Meditiererei, und wegen der Siebzig-Dollar-Dauerwelle, die sie sich in Boston machen läßt. Die Leute halten sie für hochnäsig, und da wir gerade zusammen auf diesen splittrigen Pavillonstufen sitzen, will ich Ihnen ein Geheimnis verraten: ich glaube, sie haben recht damit.
    Alles ziemlich alltäglicher Kram, werden Sie vermutlich sagen, aber nicht all unsere Probleme in Castle Rock sind alltäglich; darüber müssen Sie sich klar sein. Niemand hat Frank Dodd vergessen, den Polizisten, der hier vor zwölf Jahren überschnappte und ein paar Frauen umbrachte, und den Hund haben sie auch nicht vergessen, der sich die Tollwut holte und Joe Camber umbrachte und den alten Säufer, der ein Stück die Straße hinunter lebte. Auch den guten alten Sheriff George Bannerman hat dieser Hund umgebracht. Heute tut Alan Pangborn seine Arbeit; er ist auch ein guter Mann, aber in den Augen der Stadt kann er Big George niemals das Wasser reichen.
    Auch das, was mit Reginald »Pop« Merrill passiert ist, war nichts Alltägliches. Pop war der alte Geizkragen, dem der Trödelladen gehörte. Emporium Galorium, so hieß der Laden. Stand genau da, wo jetzt die Lücke ist, auf der anderen Straßenseite. Das Haus ist vor einiger Zeit abgebrannt, aber in der Stadt gibt es Leute, die gesehen haben (oder zumindest behaupten, gesehen zu haben) und es Ihnen nach ein paar Bier im Mellow Tiger auch erzählen werden, daß es wesentlich mehr war als nur ein simples Feuer, was das Emporium Galorium zerstörte und Pop Merrill das Leben kostete.
    Sein Neffe Ace behauptet, vor diesem Brand wäre seinem Onkel irgend etwas Unheimliches zugestoßen
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