Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0365 - Im Spiegel sah sie ihren Mörder

0365 - Im Spiegel sah sie ihren Mörder

Titel: 0365 - Im Spiegel sah sie ihren Mörder
Autoren: Im Spiegel sah sie ihren Mörder
Vom Netzwerk:
Als er wach wurde, klopfte sein Herz wie rasend. Er blieb reglos liegen, hielt den Atem an, lauschte und starrte mit aufgerissenen Augen in die Dunkelheit, Es war Nacht, und in dem kleinen Dachzimmer mischte sich der muffige Geruch, von zerschlissenen Polstermöbeln mit kaltem Zigarettenrauch.
    Nach einer halben Minute stieß Butch ' Wilker langsam die Luft durch die Nase. Er wußte nicht, was ihn geweckt hatte. Es konnte ein Geräusch gewesen sein, das nicht in den Chor der nächtlichen Laute paßte. Es konnte auch ein quälender Traum gewesen sein — oder Wilkers stark ausgeprägter Instinkt für Gefahr.
    Der Mann streckte die Hand aus, und der Zeigefinger fand den Knopf der Nachttischlampe. Eine Welle mattgelben Lichts flutete durch den Raum und machte die schäbige Einrichtung sichtbar: einen' schmalbrüstigen Schrank, schief, zerkratzt und wurmstichig eine abgewetzte, ehemals rote Couch; einen dazu passenden Sessel das Feldbett und einen kleinen Stahlrohrtisch, beladen mit den Resten eines Abendbrots und einem überquellenden, grünen Glasaschenbecher. Die Dachluke war nicht größer als eine entfaltete Zeitung und mit Wilkers grauem Jackett verhangen.
    Jenseits der Tür knarrte eine Diele. Wieder hielt Butch Wilker den Atem an. Der Mann war jetzt sicher, daß ihn ein Geräusch aufgescheucht hatte. Das Knarren der Diele klang heute anders als in den beiden vorangegangenen Nächten, die er hier bereits verbracht hatte. Es klang, als ächze die Diele unter einer Last, unter dem Gewicht eines Menschen.
    Vorsichtig stieg Wilker aus dem Bett. Er war nur mittelgroß, aber athletisch, und der eckige Schädel mit der kurzgeschorenen, roten Haarbürste verriet Kraft und Energie.
    Butch Wilker brauchte weniger als eine Minute, um sich anzukleiden. Dabei verursachte er nicht mehr Geräusch als eine Maus, die in hohlen Wänden raschelt. Als er fertig war, griff er unter das schmuddelige Kopfkissen und zog eine schwere, ölglänzende Coltpistole hervor. Er blickte die Waffe sekundenlang an, schob sie dann mit beiden Händen unter die Bettdecke und lud durch. Das metallische Klicken wurde von der Decke erstickt.
    Wilker huschte zur Tür, die Waffe in der Rechten. Lauschend legte er das Ohr an das dünne Holz. Er horchte lange, aber auf dem Gang blieb alles still.
    Etwas beruhigt trat Wilker einen Schritt zurück. Auf seinem brutalen, jedoch gut geschnittenen, jungen Gesicht lag ein nachdenklicher Ausdruck. Dann hatte Wilker einen Entschluß gefaßt, ging zum Schrank, zog die quietschende Tür auf, packte mit der Linken den Griff eines braun! edemen Koffers und hob ihn heraus.
    Dieser Koffer enthielt zweihunderttausend Dollar, in Fünfziger- und Hunderternoten gebündelt. Es war das Geld, das Butch Wilker vor drei Tagen, am 10. April 1949, in der Brooklyner Filiale der Manhattan Chase Bank geraubt hatte. Ein bewaffneter Überfall. Ein Alleingang. Mit Maske. Wilker grinste vor sich hin, als er daran dachte, daß niemand wußte, wer der tollkühne Bankräuber war; niemand außer Corinna, der er gestern abend alles erzählt hatte.
    Wilker löschte das Licht und ging zur Tür. Dort setzte er den Koffer ab, drehte den Schlüssel im Schloß, öffnete die Tür und prallte in der gleichen Sekunde entsetzt zurück.
    Grell stach ihm die Helligkeit eines jäh aufgeblendeten Handscheinwerfers in die Augen.
    Eine Stimme brüllte: »Laß die Waffe fallen, Wilker! Los! Du hast keine Chance. Fünf Pistolen sind auf dich gerichtet.«
    Zwei Sekunden lang erwog Butch Wilker seine Chancen, dann entschloß er sich, zu kapitulieren. Es dröhnte dumpf, als die Coltpistole auf die Dielen schlug. Wilker reckte die Arme über den Kopf.
    Von links kam ein großer Mann in den Lichtkegel. Wilker konnte nur die Silhouette des Mannes wahmehmen, merkte jedoch, daß er keinen Uniformierten vor sich hatte.
    »Umdrehen! Hände auf den Rücken!« befahl der Große. Seine Stimme war gaumig. Dem letzten Wort folgte ein Laut, der zwischen Schmatzen und Schnalzen lag und verriet, daß der Große eine schlecht sitzende Gebißprothese trug.
    Langsam kam Wilker der Aufforderung nach, Handschellen klickten.
    Als der Bankräuber den kalten Stahl an den Gelenken spürte, wurde ihm von einer Sekunde zur anderen bewußt, daß es vorbei war mit dem Traum von Reichtum und faulem Leben. Eine plötzliche Wut flammte in Wilker empor. Seine starken Zähne gruben sich in die dünnen Lippen, der herkulische Körper wurde von einem Jähzomanfall geschüttelt, und Wilkers Stimme
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher