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Rywig 11 - Sonnige Tage mit Katrin

Titel: Rywig 11 - Sonnige Tage mit Katrin
Autoren: Berte Bratt
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Entscheidungen ab und machten aus meiner Mutter einen ganz unselbständigen Menschen. Sie ließen sie auch verstehen, daß sie dankbar sein müßte, weil sie ihr unerwünschtes, uneheliches Kind aufgenommen hatten. Und was die Erziehung betraf, waren sie - die Großeltern -besser dazu imstande als ein junges, ,in Unglück geratenes Mädchen’.
    Versteh mich nun richtig. Meine Großeltern sind keine schlechten Menschen. Sie wollten ganz bestimmt ihrer Tochter helfen, aber sie taten es in einer ganz verkehrten Weise. Eine Frau, die in einem so jungen Alter Mutter wird und weiß, daß sie immer allein für ihr Kind sorgen muß, die sollte doch vor allem zu Selbständigkeit erzogen werden!
    Und dann lag etwas in der Luft - etwas, was nie in Worte umgesetzt wurde, aber Kinder haben einen feinen Instinkt. Ich fühlte, daß ich unerwünscht war. Ich fühlte, daß meine Mutter unglücklich war. Sie war gut zu mir, in ihrer ratlosen, ungeschickten Weise, ich hatte sie lieb. Sie war der einzige Mensch, den ich wirklich lieb hatte.
    Ich war anders als meine Schulkameraden. Ich durfte zum Beispiel nie Freunde mit nach Hause bringen. Oma hatte Angst um ihre frisch gebohnerten Fußböden, Opa um seinen gepflegten Garten. Sie wollten nicht, daß eine Horde fremder Kinder da rumtobte.
    Es war mir peinlich, sagen zu müssen: ,Ich darf es nicht’, wenn meine Kameraden mit mir nach Hause wollten. Dann zog ich mich zurück, ging auch nicht mehr zu den anderen, ich konnte mich ja nie revanchieren.
    Weißt du, das schlimmste war das Gefühl, daß ich überflüssig war. Ich hatte keine Aufgaben, man brauchte mich ganz einfach nicht!
    Es war hart für mich, als meine Mutter heiratete. Später habe ich begriffen, daß es eine sogenannte Vernunftehe war. Meine Großeltern haben bestimmt tüchtig nachgeholfen und meine Mutter überredet. Welch Glück für sie, einen Mann zu finden, der sie heiraten wollte, sogar einen ziemlich wohlhabenden Mann! Daß er zwanzig Jahre älter als sie war und daß er sich zu alt dazu fühlte, plötzlich Vater für ein zwölfjähriges Kind zu sein, das spielte für die
    Großeltern keine Rolle. Ihre Erleichterung bei der Aussicht, die mißratene Tochter endlich unter die Haube zu kriegen, war so groß, daß sie es auf sich nahmen, das überflüssige, unerwünschte Kind bei sich zu behalten.
    ,Es macht ja überhaupt keinen Eindruck auf Hartmut’, sagte meine Großmutter, als mir die Situation mitgeteilt wurde. Keinen Eindruck! Lieber Himmel! Ich war bodenlos unglücklich. Aber - es schickt sich nicht für einen zwölfjährigen Jungen zu heulen. Das besorgte ich dann nachts, wenn ich allein lag, in dem Zimmer, das ich früher mit meiner Mutter geteilt hatte. Ich legte mich in ihr leeres Bett, ich spürte noch ihren Körperduft, ich konnte mein Gesicht in ihre hinterlassenen Kleidungsstücke begraben und merken: es riecht noch nach Mutti. Aber siehst du, ein zwölfjähriger Junge hat Ehrgeiz, er hat seine männliche Würde und Ehre zu hüten. Also bekam kein Mensch etwas über meine Schwäche und meine Tränen zu wissen. - Nanu, Allegra, Spatz, was hast du?“
    „Seine Ehre und Würde zu hüten“, schniefte ich und wischte die Tränen mit dem Bettzipfel weg. „O Hartmut, wenn ich dich damals gekannt hätte. vielleicht hättest du ein kleines, dickes, aber glückliches Mädchen als Spielkameraden brauchen können.“
    „Oder die kleine Dicke hätte mich brauchen können, und das wäre das allerbeste gewesen“, sagte Hartmut. „Ich sage dir, das Gefühl, von niemandem gebraucht zu werden, das ist furchtbar. Na, allmählich arbeitete ich mich in eine ,Ihr-könnt-mir-alle-gestohlen-bleiben-Mentalität’ hinein. ,Wenn ihr mich nicht braucht, dann brauche ich euch auch nicht.’ Und mein nächtliches Weinen blieb mein Geheimnis und ist es bis zu diesem Augenblick geblieben.“ „Hast du es nicht einmal deiner Mutter erzählt?“ fragte ich.
    „Um Gottes willen, sie ist doch der letzte Mensch, dem ich es erzählen würde. Denk bloß daran, wie das ihr weh täte! Nein, Spatz, das bleibt zwischen dir und mir, versprichst du mir das?“
    „Ja, Hartmut. Mein Ehrenwort!“
    „Nun ja, was gibt es denn weiter zu erzählen? Ich machte meinen Schulabschluß, war ein Jahr in der Lehre bei Opa und besuchte die Berufsschule, dann kam der Krach und ich landete im Reisebüro. Wo der Chef einen kleinen ungehorsamen Hund namens Allegra hatte!“ Hartmut drückte mich einen Augenblick an sich, bevor er weitersprach.
    „Nun,
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