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Russische Orchidee

Russische Orchidee

Titel: Russische Orchidee
Autoren: Polina Daschkowa
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anstecken. Hier ist ein Spiegel.«
    »Ja, ich stecke sie an, und dann überfährt mich ein Auto, oder ein Ziegelstein fällt mir auf den Kopf.« Warja trank ihren Saft aus und rauchte noch eine Zigarette. »Ich kann mir vorstellen, wie verzückt mein guter Malzew jetzt wäre, völlig aus dem Häuschen. Sogar deine Augen leuchten richtig, Pnyrja. Jetzt sehe ich, sie sind tatsächlich braun.«
     
    Am späten Abend flackerte im gemütlichen Wohnzimmer von Dmitri Malzew fröhlich der Kamin. Das elektrische Licht war ausgeschaltet, es brannten Kerzen. Auf dem runden Couchtisch standen eine Flasche mit französischem Kognak und zwei Gläser aus böhmischem Kristall. Pawel Malzew saß mit hochgezogenen Beinen auf der Couch und blätterte in einer Nummer des Katalogs »Schmuck und Edelsteine«.
    Dmitri ging mit einem Glas Mineralwasser in der Hand im Wohnzimmer auf und ab. Warja saß im Kaminsessel und las in einem Lehrbuch der Philosophie der Frührenaissance.
    Dmitri gab ihr im Vorbeigehen einen Kuß auf den Scheitel und fragte leise: »Wann ist deine nächste Prüfung, mein Liebes?«
    »Morgen«, erwiderte sie, ohne den Kopf von ihrem Buch zu heben.
    »Willst du dir nicht vielleicht doch einen Kognak genehmigen, Dmitri?« fragte Pawel. »Nicht jeden Tag wird auf dich geschossen, und nicht jeden Tag wird dein Leben von einem gefährlichen Kriminellen gerettet.«
    »Wie, war dieser Elitekämpfer mit dem Schäferhund ein Krimineller?« Warja sah mit erschrockenen Augen auf. »Woher wißt ihr das?«
    »Man wollte ihn auf dem Weg zu uns verhaften, fünf Kilometer von der Siedlung entfernt«, antwortete Pawel, »aber er hat Widerstand geleistet und zwei Milizionäre verwundet. Er ist dort im Wald erschossen worden.«
    »Du lieber Gott, wie schrecklich!« Warja preßte die Hand an die Lippen. »Und wie hat man in Erfahrung gebracht, daß er ein Krimineller ist?«
    »Geh besser schlafen, Kindchen«, sagte Dmitri, »es ist schon ein Uhr.«
    »Gleich«, stimmte Warja zu. »Ich schnappe vorher nur noch ein bißchen frische Luft.«
    Sie rutschte vom Sessel und ging so, wie sie war, in Pantoffeln und seidenem Hauskleid, in den Garten. Auf dem frischgefallenen Schnee lagen wie gelbe Samtflicken die Lichtreflexe der erleuchteten Fenster. Über der reglosen Wasserfläche des Swimmingpools stand leichter, im Mondlicht schimmernder Dunst. Warja trat an den Rand des Beckens, kauerte sich nieder und blickte lange unverwandt ins Wasser, als versuche sie mit ihrem Blick in die Tiefe einzudringen, in das schwarze, unergründliche Quadrat mitten in dem weißen, von sauberem Schnee bedeckten Garten. Endlich erhob sie sich langsam, zog das Kleid aus, kniff die Augen fest zusammen und sprang in den Pool. Im Licht der Gartenlaternen funkelten helle Gischtspritzer auf. Schnell und leicht schwamm Warja durch das Wasser.
    Im Haus schlug eine Tür, Dmitri Malzew kam herausgelaufen.
    »Warja! Du bist wahnsinnig! Halte durch, ich komme!«
    Als er den Swimmingpool erreicht hatte, war sie schon herausgeklettert, und im selben Moment tauchte ein Bodyguard mit einem Frotteebadetuch auf. Warja zitterte, aber sie lächelte glücklich.
    »Du bist wahnsinnig!« wiederholte Malzew, während er sie in das Badetuch hüllte, hochhob und auf das nasse, kalte Gesicht küßte. »Du kannst doch gar nicht schwimmen!«
    »Offenbar doch.« Warja lachte vergnügt und schlang ihre eiskalten Nixenarme um seinen Hals. »Dmitri, Lieber, heiratest du mich irgendwann oder nicht?«
    »Ach du lieber Himmel, natürlich, ich heirate dich, meine Sonne.«
     
    Die Philosophieprüfung bestand Warja mit Eins. Diesmal war sie sicher, daß sie das nicht der Wohltätigkeit Dmitri Malzews zu verdanken hatte.
    Sie lief leichtfüßig die Treppe hinunter, gab in der Garderobe ihre Marke ab und ließ, während sie darauf wartete, daß der alte Mann ihren Pelzmantel heraussuchte, die Autoschlüssel um den Finger kreisen. Der Ring rutschte ab, die Schlüssel flogen herunter und landeten scheppernd auf den Fliesen des Fußbodens. Warja bückte sich, um sie aufzuheben, aber da streckte ihr schon eine fremde Hand die Schlüssel entgegen.
    »Danke.« Sie streifte das Gesicht des dicklichen älteren Mannes mit einem flüchtigen Blick, dachte, das müsse wohl irgendein neuer Dozent sein, und wandte sich dann ab, um ihren Mantel entgegenzunehmen.
    »Guten Tag, Warja«, sagte eine leise, erstaunlich vertraute Stimme.
    Warja blieb mit dem leichten Nerzmantel in der Hand einen Moment wie angewurzelt stehen
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