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Russische Orchidee

Russische Orchidee

Titel: Russische Orchidee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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müsste dich dringend sprechen. Ich fragte, was passiert sei, sie antwortete, nichts Schlimmes, sie brauche nur deinen Rat.«
    Zehn Minuten später klingelte das Telefon.
    »Ilja Nikititsch«, erklang eine angenehme, dunkle Frauenstimme im Hörer, »guten Abend. Hier ist Warja Bogdanowa. Erinnern Sie sich an mich?«
    »Guten Abend, Warja. Natürlich erinnere ich mich an dich.«
    »Entschuldigen Sie, Ilja Nikititsch, daß ich Sie störe, ich weiß nur nicht, wen ich sonst um Rat fragen soll. Wissen Sie, ich habe einen Freund … oder Verlobten … Also, wir leben seit drei Jahren zusammen. Er heißt Malzew, Dmitri Malzew, und ist der stellvertretende Finanzminister. Gestern nacht ist auf ihn geschossen worden, zum Glück wurde er nicht getroffen. Zufällig war ein Mann dort, der gerade mit seinem Hund spazierenging und ihm das Leben gerettet hat. Hören Sie mir zu?«
    Er hatte schweigend, ohne sie zu unterbrechen, zugehört. Er spürte, wie aufgeregt sie war.
    »Ja, Warja, ich höre dir aufmerksam zu.«
    »Verstehen Sie, es kann natürlich sein, daß ich mich irre, aber ich hatte den Eindruck, als wäre das alles absichtlich so inszeniert worden. Vielleicht rede ich Unsinn … Ich habe einfach Angst. Dmitri Malzew ist ein sehr wohlhabender Mann, er hat einen hohen Regierungsposten. Er war dem Mann, der ihn gerettet hat, sehr dankbar und will ihn jetzt in seinem Sicherheitsdienst einstellen. Aber mir hat dieser Hundehalter überhaupt nicht gefallen.«
    »Einen Moment. Wieso meinst du, das sei alles inszeniert worden?« unterbrach sie Borodin.
    »Ich glaube einfach nicht an solche Zufälle. Aber wie gesagt, vielleicht irre ich mich auch, ich wollte Sie nur bitten, diesen Mann zu überprüfen. Er trägt an der rechten Hand zwei Ringe mit großen durchsichtigen Steinen, und unter den Ringen sind Tätowierungen, die auch Ringe darstellen. Mir kam es vor, als habe er Ähnlichkeit mit Hauptmann Sokolow.«
    »Bitte, hilf mir auf die Sprünge, wer dieser Hauptmann Sokolow ist«, bat Borodin in gleichmütigem Ton.
    »Das war der Mann, der mich aus dem Wasser gezogen hat. Später war er dann im Gefängnis. Dmitri weiß von all dem, was mit mir war, nichts. Wenn sich plötzlich herausstellt, daß es wirklich Sokolow ist …« Sie schluchzte auf und seufzte schwer, bekümmert. »Wenn Dmitri davon erfährt, wird er mich bestimmt verlassen.«
    Sie konnte sich nicht mehr beherrschen, weinte laut und bitterlich und konnte fast nicht mehr sprechen.
    »Beruhige dich, Warja. Und flunkere mir nichts vor. Sag mir ehrlich, woher weißt du, daß das Attentat eine Inszenierung war?«
    »Es kommt mir einfach so vor.«
    »Kommt es Dmitri Malzew auch so vor?«
    »Nein. Wenn er ihn als Bodyguard einstellen will, dann glaubt er wohl, daß das alles echt war. Ich bitte Sie sehr, prüfen Sie nach, ob es Sokolow ist oder nicht. Er kommt allerdings sowieso morgen mittag zu uns, also zu Malzew nach Hause. Wir wohnen auf dem Land, sechzig Kilometer vor Moskau, an der Leningrader Chaussee, in einer kleinen Siedlung, sie heißt ›Sonnenschein‹. Es sind nur drei Villen, aber sehr große Grundstücke. Wir haben das mittlere. Entschuldigen Sie, Ilja Nikititsch, wahrscheinlich habe ich Sie unnötig gestört. Man kann ja doch nichts mehr machen. Morgen um zwölf will er kommen. Entschuldigen Sie …«
    »Warja, warte, wein doch nicht und leg nicht auf«, sagte Borodin. Aber da hatte sie schon eingehängt.
     
    Um elf Uhr fünfzehn bog der unscheinbare schwarze Shiguli von der Leningrader Chaussee auf die Landstraße ab, die zur fünf Kilometer entfernten Siedlung »Sonnenschein« führte. Quer über der Straße stand gleich am Anfang ein riesiger, schmutziger, mit Balken beladener Lastwagen.
    »Verdammt«, fluchte Wassili Sokolow und bremste.
    Er war etwas früher losgefahren. Auf keinen Fall wollte er zu spät kommen. Leute wie Malzew waren in Fragen der Pünktlichkeit besonders pingelig.
    Zunächst hupte Wassili den Lastwagen an, obwohl er begriff, daß das zwecklos war. Die Fahrerkabine war leer. Er schaute sich um und überlegte, ob er vielleicht auf einem Umweg in die Siedlung gelangen könnte. Hinter ihm hupten bereits zwei weitere Autos, ein Wolga und ein Geländewagen der Armee. Um von der Landstraße abzubiegen, mußte er entweder zurück oder nach vorn. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als auszusteigen und sich mit dem Wolga-Fahrer zu verständigen.
    Für alle Fälle hupte er noch einmal, löste dann den Sicherheitsgurt, stieg aus und ging ohne

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