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Russische Orchidee

Russische Orchidee

Titel: Russische Orchidee
Autoren: Polina Daschkowa
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Eile auf den Wolga zu.
    Im Inneren des Wagens saßen außer dem Fahrer noch drei Männer mit kurzgeschorenen Köpfen, alle in Lederjacken. Das gefiel Wassili nicht besonders.
    »Jungs, könnt ihr ein bißchen zurücksetzen«, sagte er, zu dem halbgeöffneten Vorderfenster hinuntergebeugt, »da drüben ist eine Abzweigung, vielleicht kann man einen Umweg fahren, weiß der Teufel, wie lange der hier noch den Weg versperrt.«
    Aus dem Geländefahrzeug waren inzwischen drei Männer herausgesprungen, ebenfalls junge, breitschultrige Kerle.
    »Wir wollen’s versuchen«, nickte der Fahrer des Wolga. Wassili bemerkte plötzlich, daß vor dem Rückfenster eine Uniformmütze lag. Die drei Männer aus dem Armeefahrzeug umstellten ihn. Aus dem Wolga stiegen zwei weitere aus. Ohne irgend etwas zu begreifen, riß Wassili seine TT heraus und schoß.
    Einen der Männer traf er am Arm.
    Alle schrien ihm zu, was man in solchen Fällen gewöhnlich schreit, er aber übersprang den Graben wie im Flug undstürzte, im tiefen Schnee versinkend, in den Wald. Im Unterschenkel spürte er einen brennenden Schmerz und begriff, daß er verwundet war. Er drehte sich um und feuerte noch einmal.
    »Halt! Stehenbleiben! Wirf die Waffe weg!«
    Er antwortete mit zwei Schüssen und verletzte einen weiteren Milizionär. Da begann man gezielt auf ihn zu schießen. Die erste Kugel traf ihn in den Kopf, die zweite ins Rückgrat, aber die erste reichte schon aus.

Kapitel 42
    Warja verließ das Gebäude der Kunstakademie um sieben Uhr abends. Weiche, große Schneeflocken, die in den Lichtern von Kitai-Gorod märchenhaft glitzerten, fielen vom Himmel. Statt sich in ihren Renault zu setzen, ging sie zu Fuß in die Richtung des Polytechnischen Museums. Ihre kleine Wildledertasche baumelte ihr locker von der Schulter, sie schritt langsam, ohne Hast. Nicht weit entfernt vom Denkmal für die Helden von Plewno bog sie in einen Durchgangshof ein.
    Ganz am Ende des Hofes stand ein Lincoln, schwarz und lang wie ein Krokodil, mit verdunkelten Scheiben und ausgeschalteten Scheinwerfern. Warja ging auf den Wagen zu. Die hintere Tür öffnete sich, sie tauchte ins warme, nach teurem Eau de Cologne duftende Innere.
    »Hallo, mein Kätzchen«, sagte eine tiefe Männerstimme aus der weichen Finsternis.
    »Hallo«, erwiderte Warja ziemlich mürrisch.
    »Was bist du heute so traurig.« Aus der Dunkelheit streckte sich eine Hand vor und streichelte Warja zärtlich über die Wange. »Was möchtest du? Kaffee? Saft?«
    »Saft. Moosbeerensaft, wie immer.«
    Im Wagen flammte Licht auf. Neben Warja, auf dem breiten, sofaähnlichen Rücksitz, saß gemütlich zurückgelehnt ein kleiner, magerer, völlig kahlköpfiger Mann, mit einem Gesicht, das einem Totenschädel ähnelte. Die winzigen Augen versanken in tiefen Höhlen, verbargen sich unter schweren, nackten Jochbögen.
    »Hör mal, Pnyrja, ich kenne dich schon mehr als drei Jahre, aber ich weiß immer noch nicht, welche Farbe deine Augen haben«, sagte Warja und nahm einen Schluck von dem dickflüssigen Moosbeerensaft.
    »Ich denke, braun«, erwiderte er und lächelte, »quatsch mir keine Romane vor, Kätzchen. Warum hast du Wassili verraten?«
    »Du hast versprochen, daß er nie mehr aus dem Gefängnis rauskommt und ich ihn nie wiedersehen würde.«
    »Über das, was ich versprochen habe, reden wir später. Zuerst beantworte meine Frage.«
    »Ich habe ihn nicht verraten.« Warja schüttelte ihr Haar und wandte sich ab. »Erstens hat er sich selber verraten. Zweitens hätte er mich unweigerlich hochgehen lassen.«
    »Wie hat er sich denn verraten?«
    »Das weißt du doch selber.« Sie holte ihre Zigaretten aus der Handtasche und begann zu rauchen. »Er hätte den Journalisten nicht umbringen dürfen. Aber er mußte ja seine gekränkte Eigenliebe rächen. Übrigens, deshalb hatte ich auch Angst, er könnte mich vor Malzew entlarven. Und das, Pnyrja, ist nicht in deinem Interesse.«
    »Trotzdem war es schlecht von dir, daß du Wassili verraten hast.«
    »Ich habe damit gar nichts zu tun. Der Fall des Mordes an dem Journalisten liegt in den Händen eines klugen Untersuchungsführers. Ich habe ihm nur einen Wink gegeben, undwenn er nicht schon gewußt hätte, wovon die Rede war, wäre deinem Wassili gar nichts passiert.«
    »Meinem Wassili?« Pnyrja schüttelte vorwurfsvoll den Kopf. »Auf jeden Fall ist das ein Minuspunkt für dich.«
    »Dafür habe ich jede Menge Pluspunkte! Wer hat zum Beispiel Krassawtschenko für dich ausfindig
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