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Russische Orchidee

Russische Orchidee

Titel: Russische Orchidee
Autoren: Polina Daschkowa
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Sie.« Malzew streckte die Hand aus und tätschelte die nasse, verfilzte Mähne. »Wie alt ist Ihre Frida?«
    »Dreieinhalb Jahre.«
    »Ein schönes Alter.«
    »So ist es.«
    »Gut. Noch einmal vielen Dank. Hier ist meine Visitenkarte. Rufen Sie mich morgen um zehn an.«
     
    Warja war wieder auf den Rücksitz zurückgeklettert, hatte sich die zusammengerollte Jacke des Chauffeurs unter den Kopf gelegt, die Beine hochgezogen und sich mit ihrem Pelzmantel zugedeckt. Erst jetzt merkte sie, wie schrecklich müde sie war. Die Augen fielen ihr zu.
    Als erste setzten sich der Chauffeur und der Leibwächter ins Auto. An ihrem finsteren Schweigen merkte Warja, daß beiden die Entlassung drohte. Wäre nicht der zufällige Hundehalter gewesen, hätte alles böse enden können.
    Malzew setzte sich auf den Rücksitz neben Warja.
    »Wer ist dieser Typ mit dem Hund?« fragte sie gähnend.
    »Ein ehemaliger Soldat, von einer Spezialeinheit.«
    »Ja? Und ich dachte, es wäre ein Milizionär.«
    »Schlaf ein bißchen, mein Herz.« Malzew streichelte ihrübers Knie. »Die Fahrt dauert noch lange, schlaf inzwischen.«
    »Er hat einen prima Hund«, murmelte Warja mit schon geschlossenen Augen, halb im Schlaf, »sicher ein altes Tier. Nur alte Hunde sind so klug.«
    »Nein, er ist erst dreieinhalb Jahre.«
    Warja schlief immer sofort ein, sie brauchte nur die Augen zu schließen, und einen Moment später träumte sie schon etwas. Ihre Träume waren farbig und lebhaft.
    Diesmal erblickte sie ein kleines Zimmer, eine wattierte zweischläfrige Matratze, die direkt auf dem Boden lag, mit zerknüllter, nicht mehr frischer Bettwäsche, ein schwarzes Fenster ohne Vorhänge, eine nackte Glühbirne an der Decke. Neben ihr ein breiter weißer Rücken, ein kräftiger, militärisch kurz geschorener Nacken. Der bis zum Gürtel nackte Mann kauerte neben einem Welpen.
    »Soll ich ihn Warja nennen, dir zu Ehren? Warja, die Hündin. Klingt doch gut.«
    Der Traum war so lebendig, daß sogar die Gerüche wieder aus dem Nichtsein auftauchten und in der Nase kitzelten. Der Gestank des mit Kippen gefüllten Aschenbechers. Der schwere Geruch nach Guttalin, den die braunen Dienstschuhe, die er immer direkt neben die Matratze stellte, ausströmten. Der Welpe mit seinen dicken Pfötchen roch angenehm nach Milch, sauberem Fell und frischem Heu. An einem Kleiderbügel, der am geöffneten Oberlicht hing, schaukelte eine graue Milizionärsjacke mit den Schulterstücken eines Hauptmanns.
    So deutlich, als sei sie wach, sah sie sein kantiges, großes Gesicht auf sich zukommen, die kleinen grünlichen Augen, den blonden Offiziersschnäuzer.
    »Na, nun sei doch nicht gleich beleidigt. Als ich klein war, hatten unsere Nachbarn aus der Wohnung gegenüber einenSchäferhund. Ich habe sie glühend beneidet, mehr als alles auf der Welt habe ich mir auch so einen Hund gewünscht. Ein prächtiges Tier war das. Zum Andenken an diesen Hund werde ich den Welpen Frida nennen …«

Kapitel 41
    Der am Tatort festgenommene Mann hatte einen Paß bei sich, ausgestellt auf den Namen Muchin, Wladimir Nikolajewitsch, geboren 1973, wohnhaft in Moskau. Dieser Muchin benahm sich seltsam. Er war schlaff wie ein Lappen. Widerstandslos ließ er sich vom Sanitäter verbinden und eine Tetanusspritze geben. Der Sanitäter gab zu Protokoll, er habe bei der Behandlung der Wunde undeutlich etwas gemurmelt und mehrmals »Klim, dieser Bastard« gesagt.
    »Die Wunde ist nicht tief«, sagte der Arzt den Einsatzleuten, »nichts Gefährliches. Lassen Sie morgen den Verband wechseln. Es war ein Haushund, er ist geimpft, aber für alle Fälle sollte man dem Mann noch eine Spritze gegen Tollwut geben. Hier, ich habe Ihnen alles aufgeschrieben.«
    Muchin schüttelte nur den Kopf, gab auf Fragen keine Antwort und starrte ins Leere. Gierig atmete er die stickige, verqualmte Luft im Milizwagen ein.
    Die erfahrenen Einsatzleute kamen zu dem Schluß, entweder simuliere der Mann den Verrückten oder er sei durch die blitzschnelle Festnahme und den Hundebiß wie betäubt.
    Als sie auf dem Milizrevier eintrafen, die hintere Wagentür öffneten und ihn zum Aussteigen aufforderten, rührte er sich nicht. Man war gezwungen, ihn herauszuzerren. Er ächzte, hing schlapp in den Armen der Milizionäre und riß die glasig blickenden Augen weit auf.
    »Macht nichts, gleich kommst du wieder zur Besinnung«,munterte man ihn auf und setzte ihn auf eine Bank im »Affenkäfig«.
    Er fiel gegen die Wand und begann rhythmisch mit
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