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Russische Orchidee

Russische Orchidee

Titel: Russische Orchidee
Autoren: Polina Daschkowa
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die ganze Fassade,.
    »Seltsam … Dann mußte er doch zuerst in eine der Wohnungen im ersten Stock.«
    »Das Fenster im Treppenhaus«, erklärte der Unbekannte kurz.
    Eins der sechs Treppenhausfenster über dem Vordach stand offen. Warja bemerkte erst jetzt, wie die Fensterflügel von dem starken Wind hin und her bewegt wurden.
    »Als Sie ihn verfolgt haben, hatten Sie da gar keine Angst, daß er auf Sie schießt?«
    »Nein.«
    »Hat er die Pistole weggeworfen?«
    »Weiß ich nicht.«
    Warja bemerkte an seiner rechten Hand zwei Ringe. In dem hellen Licht der Laterne funkelten die farblosen Steine auf, Steine, die zu groß waren, um echte Brillanten zu sein. An seinem Handgelenk baumelte eine dicke goldene Kette. Sein Gesicht konnte sie nicht richtig erkennen, die Laterne, die am nächsten stand, leuchtete ihm in den Nacken. Breite, muskelbepackte Schultern, der Kopf kahlgeschoren, ein kurzer, kräftiger Hals. Vielleicht ein Sportler, ein Gewichtheberoder ein Elitesoldat aus einer Spezialeinheit, vielleicht auch ein Wachmann.
    Sie rutschte ganz an den Rand des Sitzes, sie wollte zu gern sein Gesicht sehen.
    »Bewachen Sie hier irgendwen?«
    »Ich war mit meinem Hund spazieren.«
    »Wohnen Sie in diesem Haus?«
    »Nein. Im Nachbarhaus.«
    »Das heißt, Sie waren ganz zufällig hier?«
    »Ja.«
    »Und Sie haben alles gesehen?«
    »Fast alles.«
    »Als die Schüsse fielen, da hat doch ein Mann einen anderen zu Boden geworfen. Wissen Sie zufällig, wer wen?« fragte sie und versuchte ihm in die Augen zu schauen.
    Er wandte sich ab, gab keine Antwort, warf die Zigarettenkippe in den Schnee und ging schnell weg.
    »Warten Sie!« schrie sie ihm nach. »Darf ich Sie um einen Gefallen bitten?«
    Er blieb abrupt stehen.
    »Da drüben im Schnee liegt meine Handtasche, vielleicht kann sie mir jemand bringen. Und meine Schuhe auch.«
    Er nickte schweigend und ging rasch dorthin, wo die Wachleute und die Milizionäre standen. Der Schäferhund lief, an sein Bein gedrückt, neben ihm her. Warja sah, wie Malzew mit großen Schritten dem Mann mit dem Hund entgegenkam. In der einen Hand hielt er ihre Tasche, in der anderen die Schuhe. Als er auf einer Höhe mit dem Unbekannten war, blieb er stehen. Sie sprachen ziemlich lange miteinander. Worüber, konnte Warja nicht hören.
    Er war es, der Malzew eine Sekunde vor dem Schuß zu Boden geworfen hat, erriet Warja plötzlich. Durch den spärlicher fallenden Schnee sah sie, wie der Festgenommenehochgehoben und in den Wagen der Miliz gestoßen wurde. Er hat Malzew gerettet. Und seine Frida hat mich gerettet. Wenn ich nicht hingefallen wäre, hätte die Kugel mich leicht erwischen können.
    Das Milizauto fuhr davon und brachte den Festgenommenen fort. Malzew sprach immer noch mit dem Unbekannten.
    Wer weiß, wie viele deutsche Schäferhunde es in Moskau gibt, dachte Warja. Und wie viele durchtrainierte junge Kerle, die einen heiseren Baß haben, eine abgehackte Redeweise und diese idiotische Art, den Zigarettenfilter mit den Zähnen zu zerquetschen.
    »Sie haben ihn also auf dem Vordach über dem Eingang stehen sehen?« fragte Dmitri Malzew und blickte in die kleinen hellen Augen seines Retters.
    »Es war Instinkt. Eine Sekunde vor dem Schuß habe ich gespürt, auf wen er zielt.«
    »Woher haben Sie einen solchen Instinkt?«
    »Afghanistan. Tschetschenien.«
    »Sie sind Soldat?«
    »Ich war Offizier einer Spezialeinheit.«
    »Was machen Sie jetzt?«
    »Ich führe meinen Hund spazieren.« In der Dunkelheit blitzten schneeweiße Zähne auf. Es war nur das Aufzucken eines Lächelns, wie ein Blitzlicht, dann versteinerte das Gesicht sofort wieder. Malzew spürte, wie angespannt sein Gesprächspartner war. Auf diese Frage wollte er offenbar keine Antwort geben.
    Natürlich, einem so kräftigen Burschen ist es peinlich zuzugeben, daß er Probleme hat, Arbeit zu finden, dachte Malzew mit ehrlichem Mitgefühl für den ehemaligen Elitesoldaten.
    »Nun gut, und wie haben Sie erraten, in welche Richtung er fliehen würde?«
    »Ich habe das offene Fenster gesehen und begriffen, daß es vom Clubeingang bis zum Torbogen in der Mitte des Hofes nur ein paar Meter sind. Also war es für ihn bequemer, den Hof zu überqueren und erst dann in eine der Straßen abzubiegen. Aber eingeholt habe nicht ich ihn, das war Frida.«
    »Haben Sie Ihrem Hund diese Fertigkeiten antrainiert?«
    »So ist es.«
    »Und hat er schon oft Verbrecher verfolgen müssen?«
    »Ist schon vorgekommen.«
    »Einen prächtigen Hund haben
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