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Im Sog der Sinnlichkeit

Im Sog der Sinnlichkeit

Titel: Im Sog der Sinnlichkeit
Autoren: Anne Stuart
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1. KAPITEL
    London, 1842
    B enedick Francis Alistair Rohan, sechster Viscount Rohan, machte sich auf den Weg in sein Stadthaus mit einem Vorhaben, dessen erster und wichtigster Punkt darin bestand, eine fügsame Braut zu finden, einen Erben mit ihr zu zeugen und sich anschließend nicht mehr um sie zu kümmern.
    Der zweite und im Moment vorrangige Punkt war, sich lüsternen Ausschweifungen bis zum Überdruss hinzugeben.
    Er wünschte sich eine in der Kunst erotischer Spiele bewanderte Bettgefährtin, die seine Wollust so tief befriedigte, dass er hinterher einen Tag lang weder gehen noch reden oder denken konnte. Er wollte keine Mätresse; seine letzte hatte sich als zu ergeben, zu rührselig und zu wenig einfallsreich erwiesen. Er sehnte sich nach neuen Herausforderungen. Am liebsten hätte er jede Frau flachgelegt, die ihm derzeit begegnete, ob alt oder jung, dick oder mager, hübsch oder hässlich. Es dürstete ihn nach rein triebhafter Befriedigung.
    London war der beste Ort, um seine Begierden zu stillen. Seinen Landsitz in Somerset hatte er satt, noch mehr langweilte ihn das Herrenhaus seiner Eltern in Dorset. Sein Bruder Charles ödete ihn an mitsamt seiner frömmelnden Frau und ihren quengeligen Kindern. Das Anwesen seiner Schwester Miranda im Lake District war ihm ein Gräuel – schon wegen der Tatsache, dass er seinen Schwager erdrosseln würde, wäre er gezwungen, auch nur eine Stunde in dessen Nähe zu verbringen.
    Einzig Mirandas zahlreiche Kinderschar fand er reizend, obwohl sie von dieser Ausgeburt des Satans, allgemein als Skorpion bekannt, gezeugt worden war.
    Wenigstens hatte er in seinem Londoner Haus in der Bury Street keine Einmischung seiner durchaus liebevollen Eltern, Geschwister oder anderer Personen zu befürchten, die ihm ständig Vorschriften machen wollten. Er kam gut zurecht, nachdem er zum zweiten Mal Witwer geworden war. Seine kapriziöse zweite Frau war im Wochenbett gestorben, genau wie seine erste Frau, was ihn dazu bewog, beim dritten Mal ausschließlich darauf zu achten, eine gesunde und kräftige Frau zu heiraten, die ihm endlich Nachkommen schenkte. Barbara hatte er zwar weniger geliebt als Annis, dennoch hatte ihm auch ihr Tod zu schaffen gemacht. Das Trauerjahr war endlich vorüber, und er war aus den oben erwähnten Gründen nach London gereist.
    Eine neue Braut hatte er bereits in Betracht gezogen. Die Ehrenwerte Miss Dorothea Pennington wäre die Richtige für ihn. Sie hatte nicht erst gestern noch die Schule besucht, war aber mit dreiundzwanzig jung und kräftig genug, um ihm die Kinder zu schenken, die er brauchte. Zudem war sie aus gutem Haus und wohlerzogen und würde ihm keine Unannehmlichkeiten bereiten. Sobald er mit ihr verheiratet war, müsste er sich nicht sonderlich um sie kümmern.
    Und sollte sie unglückseligerweise sterben, nachdem sie ihm zwei Söhne geboren hatte, würde er sich damit abfinden können, statt verzweifelt zu trauern wie um seine erste Gemahlin. Anscheinend war jede Frau, die den Fehler beging, ihn zu heiraten, dem Untergang geweiht, worauf der frühe Tod seiner zwei Gemahlinnen schließen ließ. Glück im Spiel, Pech in der Liebe, hieß es wohl nicht zu Unrecht. Und Benedick war ein ausgezeichneter Spieler.
    Er war im Begriff, mit dem Spazierstock gegen das Portal zu klopfen, als es geöffnet wurde. Sein Butler Richmond begrüßte ihn in seinem gewohnt verhaltenen Überschwang. „Mylord! Wir hatten keine Ahnung von Ihrer Rückkehr.“ Er gab dem Kutscher einen Wink und trat beiseite, um seinen Herrn einzulassen. „Das Haus ist selbstredend für Ihre Ankunft bereit. Hätte ich jedoch davon gewusst, hätte ich für frische Blumen gesorgt.“
    „Dazu besteht kein Anlass, Richmond“, sagte Benedick, streifte Handschuhe und Mantel ab und reichte beides dem Butler. „Blumen sind meine geringste Sorge. Ich brauche ein heißes Bad, eine warme Mahlzeit und einen Nachmittagsschlaf, bevor ich irgendjemanden sehen möchte.“
    Richmond räusperte sich diskret, wie er es immer zu tun pflegte, wenn es galt, eine unangenehme Nachricht zu übermitteln, worauf Benedick am Fuß der Treppe innehielt und herumfuhr.
    „Was ist los, Richmond?“ Er bemühte sich, nicht allzu gereizt zu klingen. Der Butler gehörte zu den wenigen Menschen, denen er nicht das ganze Ausmaß seiner schlechten Laune zu spüren geben wollte. Er kannte den Mann, seit er im Laufstall herumgekrabbelt war. Ergeben wie alle dienstbaren Geister, verrichtete er seine Arbeit
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