Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Russische Freunde: Kriminalroman

Russische Freunde: Kriminalroman

Titel: Russische Freunde: Kriminalroman
Autoren: Matti Rönkä
Vom Netzwerk:
alt genug, um das eine oder andere zu verstehen. Das waren böse Menschen. Sie hatten kalte Augen und kalte Stimmen. Und sie haben mich angeguckt wie einen Putzlappen. Oder vielleicht wie ein Freudenmädchen, das nicht mehr zu gebrauchen ist. Und der eine hat gelacht und mich in die Backe gezwickt wie ein kleines Kind, dabei war er bestimmt nicht älter als ich.«
    Mein Handy klingelte. Nichts als Stille drang an mein Ohr, leeres Rauschen. Aber ich war mir sicher, dass es russische Stille war.

2
    Oksana Pelkonen, meine Halbtagssekretärin, wuselte bereits im Büro herum, als ich meinen Mercedes in der Viherniemenkatu in eine Parklücke zwängte. Ich war meinem Büro am Markt von Hakaniemi treu geblieben, obwohl man mir modernere Räume angeboten hatte. Immerhin hatte ich an der Tür und an den Fenstern neue Aufkleber angebracht. Sie verkündeten – meiner Ansicht nach dezent –, dass sich hier die Geschäftsstelle des VK -Konzerns befand, zu dem die Firmen Bau-Kärppä, VK -East-Trade, VK -Consulting und Osthilfe Hakaniemi gehörten. Darunter stand der Werbespruch »Osthandel schon im zweiten Jahrhundert«. »Im zweiten Jahrtausend« wäre nicht weniger zutreffend gewesen, hätte meine Kunden jedoch zum Grübeln gebracht.
    »Guten Morgen, Vitjucha, guten Morgen«, begrüßte Oksana mich gleich doppelt. »Ich habe gerade deinen Tee aufgegossen. Schau mal, auf dem Poststapel liegen zuoberst drei Briefe an Viktor Kärppä, daher wusste ich, dass du kommst.«
    »Dazu brauchst du kein Orakel. Ich komme jeden Morgen ins Büro, auf fünf Minuten pünktlich«, fauchte ich. »Und die Post, die in mein Büro kommt, ist ja wohl größtenteils an mich gerichtet.«
    Oksana machte einen Schmollmund, quasselte aber weiter. »Oje, hast du Herzweh, Vitja? Ist die Liebe zerknüttert?«
    Ich hütete mich, ihr mein Herz auszuschütten, obwohl ihre Vermutung der Wahrheit recht nahekam. Marja hatte sich am Abend aufs Sofa gekauert und gelesen, war früh schlafen gegangen und hatte mich allein im Wohnzimmer hocken lassen. Am Morgen war sie zeitig aus dem Haus gegangen, nach einem hartlippigen Kuss und einem flüchtigen Tschüs.
    »Es heißt zerknittert, nicht zerknüttert. Aber über die Liebe kann man das sowieso nicht sagen«, korrigierte ich und goss mir Tee ein. Den Becher mit der Aufschrift Boss hatte Oksana auf dem Markt erstanden. Sie verzichtete auf weiteres Schmollen und begann geschäftig Rechnungen auszudrucken und Briefumschläge zuzukleben.
    Ich brauchte keine Vollzeitbürokraft. Oksana Pelkonen kam nur zwei oder drei Tage pro Woche ins Büro. Sie schrieb Rechnungen, beherrschte die Regeln der einfachen Buchführung, beantwortete Faxe und E-Mails und schaltete das Bürotelefon bei Bedarf auf ihr Handy um, an dem sie sich auch in ihrer Freizeit mit den Worten meldete: » VK -Konzern, guten Tag.«
    Ich hatte Oksana kennengelernt, als ich noch für Ryschkow arbeitete. Er hatte sie im früheren Rajon Leningrad angeworben, in irgendeiner vergessenen Kleinstadt oder einem lahmgelegten Kombinat.
    Da Oksana ganz passabel aussah, war sie zusammen mit anderen Mädchen in einem Ikarus-Bus mit blinden Fenstern nach Helsinki gekarrt worden. Aber aus der Arbeit war nichts geworden. Oksana war brav und gefügig, dabei aber kindlich und ungeschickt und ungefähr so erregend wie eine Strumpfhose im Kühlschrank. Ryschkow hatte sie aus dem Geschäft gezogen und mit Kochen und Waschen beschäftigt, während sie auf den Rücktransport nach Sankt Petersburg wartete. Oksana war einen Monat lang geblieben, dann einen zweiten, war zwischendurch nach Russland gefahren, um ihr Visum zu erneuern, aber immer wieder nach Helsinki zurückgekehrt, um für Ryschkow zu arbeiten.
    Und als Ryschkow gestorben war, hatte ich neben seinem geschäftlichen Erbe auch die Verantwortung für Oksana übernommen. Oksana war väterlicherseits finnischer Abstammung und sprach ein wenig Finnisch. Ich schickte sie zum Sprachkurs, brachte ihr bei, wie die Büroarbeiten für meine kleinen Firmen zu erledigen waren, und verschaffte ihr einen Zweitjob in einer Reinigung. Inzwischen hatte Oksana einen finnischen Pass und wohnte mit ihrer Oma im Vorort Vuosaari.
    »Apropos Besucher, die Petersburger Männer kommen gleich«, zwitscherte Oksana wie ein Buchfink, der den Frühling ankündigt.
    »Was für Petersburger Männer, zum Teufel?«, krächzte ich.
    Oksana sah mich verschreckt an. »Warrum schreist du so … Zwei Bisnezz-Männer, junge, ordentliche.« Vor Schreck vergaß
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher