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Russische Freunde: Kriminalroman

Russische Freunde: Kriminalroman

Titel: Russische Freunde: Kriminalroman
Autoren: Matti Rönkä
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sie die finnische Intonation und klang zu drei Vierteln russisch. »Am vorigen Tag waren sie hier. Haben geredet, als wärst du ein Bekannter … und dass sie ein Meetink hätten … wie hätte ich denn da Böses ahnen sollen«, sprudelte sie hervor, holte zwischendurch quiekend Luft.
    Bevor ich sie beschwichtigen konnte, schrie Oksana auf und bekreuzigte sich fahrig. »Da kommen sie, um Himmels willen … was soll ich nur tun?«
    »Schon gut, keine Panik, alles ist in Ordnung«, beruhigte ich sie. »Setz dich nur an deinen Schreibtisch und tu deine Arbeit.«
    Ich musste meine Aufforderung wiederholen, denn Oksana flatterte immer noch kopflos im Büro herum. Sie machte den Mund auf, sagte aber nichts, als sie meinen warnenden Finger sah. Stumm verschwand sie hinter der Stellwand in ihrem Teil des Kontors.
    Ich trank meinen Tee aus. Die Türfeder knarrte. Ich legte beide Hände auf den Tisch, mit gespreizten Fingern, und konzentrierte mich.
    Bei der Spezialausbildung in der Armee hatte man uns getestet, geprüft und darauf getrimmt, Stress auszuhalten. Wir waren durch Wälder gestiefelt und über Steppen getrottet, bis wir vor Erschöpfung zitterten. Wir hatten unter Hunger und Schlafmangel gelitten und waren verhört worden, so realistisch, dass mancher bereitwillig seine eigene Mutter des Landesverrats bezichtigt hätte. Man hatte uns isoliert und gegeneinander aufgehetzt, hatte durch finstere Andeutungen dafür gesorgt, dass einige aus unserem Kreis abgesondert und misstrauisch beäugt wurden, ohne zu wissen, weshalb.
    Und die ganze Zeit über hatte man uns eingebläut, dass man fähig sein musste, seine Handlungsfähigkeit zu bewahren. Behalte einen kühlen Kopf, denk nach, überlege, konzentriere dich auf das Wesentliche, hatte der Leiter der Einheit, Major O. A. Sorokin, uns eingehämmert. Befiehl deinem Herzen, ruhiger zu schlagen, gib ihm den Rhythmus vor. Das Herz gehorcht, hatte er versichert. Und wenn du deine Gesichtszüge unter Kontrolle hast, gleichmäßig atmest und deinen Puls zügelst, funktioniert auch dein Verstand. Du musst sein wie Kohlenmonoxyd – geruchlos, geschmacklos, farblos, aber tödlich.
    Anfangs hatten wir über den Genossen Major und seine Sprüche gelacht. Der junge Mann, ein vierschrötiger Bursche mit gutmütigem, gerötetem Gesicht, sah aus wie ein ukrainischer Bauer, zu dem es besser gepasst hätte, auf einem Getreidesack zu sitzen und auf einen Schnaps zu warten. Aber nach und nach war uns das Grinsen vergangen. Sorokin wusste, wovon er sprach. Und als wir begriffen, wozu wir nach der Ausbildung fähig sein würden, waren auch die letzten Spuren eines Lächelns aus unseren Gesichtern verschwunden.
    Aber ich war hier nicht in einem Kurs über psychophysische Operationstaktik. Ich saß auf meinem Bürostuhl, ohne zu wippen oder mich hin und her zu drehen, und bereitete mich auf meine Besucher vor.
    Es waren zwei. Sie waren mittelgroß, schlank, pfirsichhäutig und so modisch individuell gekleidet wie Zwillingsbabys, denen man Jäckchen und Strampelhosen in verschiedenen Farben anzieht. Der eine war dunkelhaarig, der andere blond. Der Dunkelhaarige trug eine rahmenlose Brille, der Blonde hatte einen Diamantstecker im Ohrläppchen. Der Anzug des Dunklen war blau, sein Hemd kariert, und die Krawatte hatte Schrägstreifen. Der Blonde trug ein graubraunes Jackett, sein Hemd war gestreift und seine Krawatte kariert.
    Ich war eher an Zweigespanne gewöhnt, bei denen der eine Muskeln und der andere ein Gehirn besaß, aber beide tätowiert waren. Wenn man mit solchen Typen eine Weile plaudert, entdeckt man bald gemeinsame Bekannte, und dann tischt man ein Gläschen Wodka auf, wir haben doch keine Eile, man heizt die Sauna und quasselt über Frauen, die Gesichter röten sich und schließlich singt man gemeinsam wehmütige Lieder. Und die eigentlichen Verhandlungen führt man am nächsten Tag, in versöhnlicher Stimmung, bei einem Glas Salzgurkenlake gegen den Kater. Mit diesen beiden hätte ich dagegen allenfalls über die richtige Fermentierung von Teeblättern plauschen können.
    » Sdrastwite , Jungs«, begrüßte ich sie, als trügen sie noch kurze Hosen. Ich versuchte, Herr der Lage zu bleiben.
    »Guten Morgen, Viktor Nikolajewitsch«, erwiderte der dunklere Zwilling huldvoll, während der Blonde sich mit einer knappen Verbeugung begnügte. Mir schoss der Gedanke durch den Kopf, dass ich die Vorzeichen womöglich völlig falsch gedeutet hatte, vielleicht waren die Herren richtige
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