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Russische Freunde: Kriminalroman

Russische Freunde: Kriminalroman

Titel: Russische Freunde: Kriminalroman
Autoren: Matti Rönkä
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    »Wo bist du?«, fragte der Mann, ohne sich vorzustellen. Auf Russisch. Die heisere Stimme hallte im Telefon. »Na, hier«, erwiderte ich vorsichtig, »auf der Baustelle.« Das Handy verstummte, ich horchte noch eine Weile, dann verstaute ich es in der Brusttasche. Kann ja mal vorkommen, dass ein Telefonat abbricht.
    »Hol eine Fuhre Gipsplatten aus der Halle. Von der Ausschussware, die ist gut genug«, wies ich Antti Kiuru an, einen Ingermanländer, den ich als Vorarbeiter eingesetzt hatte.
    Das aus sechs Wohnungen bestehende Reihenhaus zog sich im Zickzack über das Grundstück in Hanglage. Es war bereits überdacht. Drinnen stopften die Männer Isolierwolle in die Ritzen, befestigten Wandplatten und nagelten Deckenplatten an.
    Ich hatte das Grundstück günstig von einem Baulöwen bekommen, kurz bevor er sein Unternehmen in den Konkurs führte. Auf den Baustellen war damals das Gerücht umhergeschwirrt, die Firma werde so lange blank geputzt, bis sie in den Bankrott purzeln würde. Das hatte mir nicht geschmeckt, denn dem Bauunternehmer gehörte auch das Haus, in dem ich wohnte. Und ich mochte mein Zuhause.
    Der Baulöwe war einsichtig, ich brauchte ihm gar nicht groß zuzusetzen. Ich schaute ihm eine Weile in die Augen und machte ihm ein faires Angebot. Der Alte polierte seine dicken Brillengläser, schluckte seine Einwände herunter, nahm das Geld und verdrückte sich. Ich bekam mein Haus und als Dreingabe zwei Baugrundstücke, ordnungsgemäß im Bauplan eingetragen, technisch erschlossen bis zur Grundstücksgrenze.
    Später hörte ich, dass der betreffende Unternehmer inzwischen Arbeitskräfte aus Tallinn vermittelte. Er warb in Estland Putzfrauen und Lagerarbeiter und Monteure aller Art an, die er per Schiff für einige Wochen nach Finnland schickte. Die Arbeitskräfte waren sehr flexibel, worüber die eine oder andere Behörde wahrscheinlich gern einmal mit dem Unternehmer gesprochen hätte. Ich nicht.
    »Da muss einer als Fahrer mit«, sagte Kiuru zu meinem Rücken.
    »Wo steckt denn Matti?«, erkundigte ich mich vorwurfsvoll, womit ich an eine alte Schuld erinnerte. Ich hatte Antti Kiurus Sohn Matti aus der Patsche geholfen, indem ich ihn bei mir anstellte.
    »Der ist krank«, sagte Kiuru senior.
    »Krank, so so«, höhnte ich.
    »Wirklich. Er hat Fieber. Ein Drückeberger ist der Matti nicht. Das weißt du genau«, nahm Antti seinen Sohn in Schutz.
    »Dann nimm Iljuscha oder Juri als Fahrer, die haben den Lappen. Hauptsache, ihr holt die Platten. Und zwar heute und nicht am Sankt-Nimmerleins-Tag. Die Arbeit steht, mir kommt der ganze Zeitplan ins Schwimmen.« Ich drehte mich um und ging über den Betonfußboden, setzte über die Verschalung wie ein Hürdenläufer.
    »Warte mal«, Antti Kiuru hielt mich zurück und wischte weißen Mörtel vom Ärmel meines Jacketts. Er stand so nah, dass ich das Sägemehl und den Schleifstaub und den warmen, väterlichen Schweiß roch. »Du solltest nicht in diesen feinen Klamotten herkommen«, brummelte er. Zwischen den Zeilen klang ein Vorwurf durch: Früher hast du einen Overall getragen oder eine Trainingshose, Hammer und Nageltasche am Gürtel, jetzt stolzierst du in feiner Hose und Jackett und Polohemd herum.
    »Na, weil ich doch zwischendurch auch Büroarbeiten erledigen und zur Bank gehen muss«, verteidigte ich mich. »Ich mach mich jetzt auf den Weg. Ach übrigens, der Elektriker ist eine unbekannte Größe. Guck ihm mal auf die Finger, ob es sich lohnt, ihn zu der Baustelle in Korso mitzunehmen.«
    Im Wagen holte ich die Daten des unterbrochenen Telefonats auf das Display. Die Nummer des Anrufers war gespeichert. Die ersten Ziffern verrieten mir, dass es sich um den Anschluss eines Telefonanbieters in Sankt Petersburg handelte, aber der Rest war mir fremd. Ich wunderte mich, denn der Anschluss, an dem der Unbekannte mich angerufen hatte, war nur für wenige gute Freunde reserviert.
    Marja saß auf der löchrigen Bank vor dem Haus, auf der Seite, wo die Sonne schien. Sie hatte die Augen geschlossen, ließ sich das Gesicht bräunen.
    »Hallo«, sagte ich.
    »Ach, hallo«, entgegnete Marja tonlos.
    Ich trat zu ihr. Die Grasbüschel am Steinsockel strahlten trockene Wärme aus. »Rück doch mal«, bat ich, da Marja offenbar nicht auf die Idee kam, mir Platz zu machen.
    »Hier sind die Bilder vom Architekten und die Ingenieurszeichnungen auch gleich.« Ich entnahm der Klarsichtmappe des Kopiershops einen Stapel Papiere. Marja schob die Sonnenbrille von der Stirn
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