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Russische Freunde: Kriminalroman

Russische Freunde: Kriminalroman

Titel: Russische Freunde: Kriminalroman
Autoren: Matti Rönkä
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verständigen?«
    Die Männer legten die Papiere in die Mappen und die Mappen in die Aktentaschen.
    »Man sagt, du bist ein vernünftiger Mann, ein Realist. Wir hoffen es, obwohl das ehrlich gesagt scheißegal ist. Trotzdem möchte unser Auftraggeber ausdrücklich betonen, dass du nicht am Hungertuch nagen wirst. Du bekommst irgendeinen Job von uns. Also lies dir die Papiere genau durch und unterschreib sie. Und keine Mätzchen! Auf Wiedersehen, Viktor Nikolajewitsch.«
    Der Dunkelhaarige beendete die Unterredung so gönnerhaft, wie er sie begonnen hatte. Dann gingen die beiden. Die Türfeder knarrte wieder und hallte verstimmt nach.
    Oksana kam hinter ihrem Wandschirm hervor, huschte zwischen Schränken und Tischen herum, ließ Papiere fallen.
    »Tippel hier nicht rum«, fuhr ich sie an.
    »Aber was soll denn nun aus unserem Viktor werden?«, klagte Oksana und zerknüllte ein Taschentuch in der Faust.
    »Mach dir keine Sorgen, Oksana, Kindchen«, beruhigte ich sie. »Uns passiert nichts. Ich werde mir schon was einfallen lassen.«
    Ich bemühte mich, ruhig und überzeugend zu lächeln, brachte aber keinen wirklich hilfreichen Satz zustande. Das Einzige, was mir einfiel, waren die liebevollen Sprüche, mit denen Mutter Missgeschicke immer abgetan hatte. Auch auf den Reisighaufen scheint die Sonne. Wir werden schon nicht untergehen, so tief ist der Brunnen nicht. Wenn die Sauna brennt, braucht man wenigstens nicht zu frieren. Das hätte Mutter gesagt. Aber diesmal hätte ihr melancholischer Optimismus wie leeres Geschwätz geklungen, Friede ihrer Seele.
    »Putz dir die Nase, bring deine Wimperntusche und sonstige Schminke in Ordnung und mach ein paar Erledigungen. Du bringst diese Rechnungen und ein paar andere Briefe zur Post. Und dann holst du in der Markthalle frisches Brot und ein paar Scheiben Kochschinken und zum Nachtisch diese kleinen Berliner mit Quarkfüllung. Danach sieht das Leben gleich viel freundlicher aus«, redete ich ihr zu.
    Oksana schniefte und schluchzte und verschwand in der Toilette. Ich hörte Wasser laufen.
    Keine Mätzchen. Das hatte das Jüngelchen gesagt. Ein Rotzbengel war er, auch wenn er kultiviert redete und nach teuren Wässerchen roch. Solche Pappkameraden schmeiß ich kopfüber auf den Misthaufen, stachelte ich meinen Kampfgeist an. Und gleichzeitig lauschte ich dem Gewisper des Zweifels und der Angst, die hinter meinem Rücken lauerten und mich daran erinnerten, dass die ungleichen Zwillinge einen Grund für ihre Forderungen hatten.
    Ich hatte lange für Ryschkow gearbeitet, war ihm bei Geschäften behilflich gewesen, die bei böswilliger Betrachtung den Tatbestand des Schmuggels, der Kuppelei, der Nötigung und ähnlicher Bagatelldelikte erfüllt hätten. Als mein Arbeitgeber in den estnischen Heroinhandel eingestiegen war, hatte ich mich losgerissen. Ryschkow war bei der Gelegenheit ums Leben gekommen, und ich kann nicht behaupten, dass ich an dem Zwischenfall ganz und gar unschuldig gewesen bin.
    Jedenfalls waren Güter und Firmen ohne Besitzer und Nachfolger geblieben. Ryschkows Frau war sofort nach Russland zurückgekehrt und hatte ihre Tochter mitgenommen. Ich wusste, dass sie keineswegs als arme Witwe und Waise darbten. Auch in Russland hatte sich genug Familieneigentum angesammelt. Zudem besaßen sie wahrscheinlich nicht genug Informationen, um auf den finnischen Nachlass Anspruch zu erheben. Ryschkow hatte seine Firmen nämlich so geschickt verkettet, dass sich die Spuren verloren, fast im Unsichtbaren endeten. Ich hatte ein Glied nach dem anderen aufgespürt, Unternehmen und Wohnungen und Gelder entdeckt, die niemand vermisste. Ich hatte aus der Erbmasse Kapital und Sicherheiten entnommen – das Fundament für all die Firmen, die ich jetzt führte.
    Und die gehören mir, wiederholte ich in Gedanken.
    »Grüß dich, Kärppä, altes Haus, wie sieht’s mit dem Bauern aus?«, rief eine fröhliche Stimme. Der Mann war lautlos hereingeschlüpft, hatte es geschafft, das Knarren der Türfeder zu dämpfen, und grinste nun zufrieden über die gelungene Überraschung. Er war eine Spur zu elegant gekleidet, ein Mann mittleren Alters mit erschlafftem, schönem Gesicht und trotz des Lächelns traurigen Augen.
    »Oksana, bring für Korhonen auch einen Berliner mit«, seufzte ich. »Einen von gestern, wenn es die noch gibt.«
    »Na was?«, fragte Korhonen und setzte sich.
    »Was was?«, fragte ich zurück.
    »Heilige Scheiße, ein Dialog auf höchstem Niveau«, seufzte Korhonen.
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