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Rund wie die Erde

Rund wie die Erde

Titel: Rund wie die Erde
Autoren: Eva Demski
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Bildschirm ungefährliche Genüsse vorgesetzt, Farmerschinken, marinierte Heringe, Heiligenscheine aus Mayonnaise. Deutliche hörbare Crème brulée. Ich schaue mir alles an. Danach bringt mir ein Adler einen Fernet Branca. Bis tief in die Nacht kann man sich satt sehen, sich virtuell überfres
sen. Danach mag man nichts mehr, außer ein wenig Apfeltee.  
    Beim Friseur bin ich wiederkannt worden, das pummelige Mädchen mit dem klugen Gesicht hat einen knallvioletten Bürstenschnitt.
    Heiße Farbe, sage ich.
    Ihre ist auch ok, sagt sie.
    Â 
    Sonntag
    Â 
    Fastenengel mit Füllhorn, statt Kirchgang
    Â 
    Ich bringe dir in meinem Horne
    Geschenke, die zum Darben dienen,
    Rohes Gemüse steht ganz vorne
    Und Honig gibt's von wilden Bienen.
    Auch Weizenkeim und Haferflocken,
    Gepresst, geschrotet, roh, im Keime,
    Ein dunkles Semmelchen aus Roggen
    Und mehrere Getreideschleime.
    Grünkräuter! Gurken! Kohl! Karotten!
    Auch Molke, Joghurt, magere Quarke –
    Ein Ende hats mit dem Verrotten
    Der Leib erschlanke und erstarke!
    Und wer sich noch nach Braten sehnt
    Der wird vom Engel abgelehnt.
    Â 
    Ich lerne beim Sonntagsspaziergang eine dicke bunte Katze kennen, nach mehreren Schmuseminuten merke ich, sie hat keinen Schwanz. Sie hat ganz und gar keinen Schwanz und ist trotzdem sehr schön. Ich bekomme Heimweh.
    Â 
    Montag
    Â 
    Auf einmal ist der Sommer wieder da. Der See beeilt sich, noch einmal aufzuwachen. Das einzige Café am Ufer, das noch nicht geschlossen hatte, es ist keins von den feinen, macht das Geschäft seines Lebens. Was Hände und Beine hat, schleppt Stühle und Tische auf die Promenade. Die Kellner waren offenbar größtenteils schon zusammengefaltet und verpackt gewesen. Jetzt stehen sie betäubt und etwas zerknittert zwischen all den unvermutet aufgetauchten Gästen. Ich trinke einen Kaffee und rauche eine Zigarette. Beides schmeckt ganz unvergleichlich und macht etwas schwindlig.
    Die Wärme hat viele Wespen von den Toten erweckt, sie klammern sich wie betrunken an die Zuckerstreuer und starten dann in Richtung Eistüten. Dreistöckige Eisbecher, nackte Unterarme, Sonnenbrillen, was für ein unverhofftes spätes Glück. Die Sonne macht höhnisch die Weihnachtsdekorationen unsichtbar. Das war nun sicher ihr letztes Fest, ihr letzter Triumph dieses Jahr. Ich fühle mich leicht.
    Â 
    Dienstag
    Â 
    Vorbei. Der Nebel hat sich aus dem See gewälzt und alles verschluckt. Er wird so bald nicht weggehen. Über dem Pool steht noch dickerer Nebel, aber wenn man auf dem Rücken schwimmt, sieht man die Muster der kahlen Bäume wie Zeichnungen auf Watte. Es ist wunderbar, mittags in einem weißen Bett zu liegen und mit einer Wärmflasche an den Füßen in den weißen Nebel zu schauen. Luxus! Die Tage rollen sachte weg.
    Fastenbrechen ist ein viel zu gewalttätiges Wort dafür, daß
wir mehr oder weniger weniger Gewordenen am Ende einzeln im Speisesaal sitzen, ein Kerzlein brennt wie bei einem Kindergeburtstag, wir schauen auf unsere Fastenurkunde. Das Wichtigste steht nicht drauf, es ist die Sache mit der angehaltenen Zeit. Das wird bei jedem anders sein. Da und dort werden verschämt Hosenbünde von Leib weggehalten – »als ich kam, hat die noch gespannt!« –, aber darum geht es nicht in erster Linie.
    Â 
    Die folgenden Tage
    Â 
    Man will alles behalten, vor allem das Genußbewußtsein – ein gedünsteter Apfel! Kartoffelsuppe! Vier Haselnüsse! Ich weiß aus Erfahrung, daß es nicht klappt und daß das durch ein Quarkbrot hervorgerufene Glück schon eine Woche später nicht einmal mehr Erinnerung sein wird. Die Zeit nimmt wieder Fahrt auf. Das ist schade. Man müßte doch ein für allemal gelernt haben, wie es ist, als Amöbe glücklich und zufrieden zu sein. Vielleicht sind ja die Kilos, die zuverlässig irgendwo lauern, nur ein Nebenprodukt. Das Gewicht, das man in der Welt haben will, legt sich einem um den Leib.
    Ob die Entscheidungsträger sich bei ihren EZB -Krisensitzungen daran erinnern werden, wie sie mit einem Anstaltsbademantel bekleidet glücklich an ihrem Fencheltee schnupperten? Und die Damen aus dem Management, in Leberwickel gehüllt wie Babies und Kochrezepte lesend, werden sie sich in ihren Bürotürmen bei ihren Meetings unvermittelt danach sehnen? Und ich?
    Aber man kann ja wiederkommen.
    Der Anis ist im
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