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Rund wie die Erde

Rund wie die Erde

Titel: Rund wie die Erde
Autoren: Eva Demski
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tun sich das so viele alte Damen an? Meinen wir, das Alter herausfasten zu können und der verbliebene Rest ist dann, wenn schon nicht die Jugend, so doch die Sichtbarkeit? Warum schmausen wir nicht fröhlich in den vielen Restaurants des Städtchens, bewerfen uns mit Maultaschen und tauchen tief ein in Kartoffelsalat und Wein?
    Eine innere Stimme ruft mir zu: Ja, genau! Warum tust du das nicht, du anmaßende, eitle, alte Krähe?
    Es gibt noch eine Chance, antworte ich aus Trotz.
    Das denken die anderen auch, sagt die Stimme.
    Der heutige Sonnenaufgang war Mozart, mit kleinen Marzipanwölkchen. Der Sonnenuntergang wird anderswo aufgeführt, dorthin gibt es keinen Blick. Mein kleines Gefängnis ist nett, bald wird es mir zu eng werden.
    Â 
    Donnerstag
    Â 
    Heute habe ich das Finale des Sonnenaufgangs verschlafen, man gewöhnt sich doch sehr ans Repertoire. Ich ahne, daß mir das noch leid tun wird. Ein frühlingshafter Tag, kiloweise neue Zeitungen und die beruhigende Routine auf diesem Zauberberg, auf dem man sich allerdings erotische Verwicklungen nur sehr schwer vorstellen kann. Das Haus erfüllt ein ständiges Rumoren von Entleerungsgeräuschen. Erfolgreich aussehende Männer im anstaltseigenen Bademantel wandeln einem mit Uringläschen in der Hand entgegen. Daran erkennt man die Neuankömmlinge. Vor der Rezeption wird ein Rondell gepflastert, wohl für einen Springbrunnen. Es wird heftig gearbeitet und eine Schwester sagt: So viele Männer … draußen …
    Was würden diese fast nie von ihrer Arbeit aufschauenden Männer sagen, wenn man ihnen erklärte, was hier drin geschieht? Sie, die doch bei den Müttern ihrer Söhne für eine gewisse Plumeauhaftigkeit dankbar sind, und bei denen grade die runderen deutschen Mädchen Freude und Begehren auslösen? Und wenn sie die vielen alten Frauen wahrnähmen, deren Familien es zulassen, daß die Oma nichts zu essen kriegt, und dafür auch noch das gute Erbe raushaut?
    Â 
    Freitag
    Â 
    Ob Sonnenauf – ob – untergang,
    Der Dichter ärgert sich schon lang:
    Sie sind so schwierig darzustellen
    Und jedes Bild kann nur verprellen
    Zu rot
    Zu bleich
    Zu grob
    Zu käsig
    Zu puderzuckerig
    Zu bräsig
    Zu wild
    Zu lahm
    Zu mild
    Zu zahm
    O je, seufzt der See.
    Â 
    Meine Tage hier sind gezählt. Ein Gedanke geht mir nicht aus dem Kopf. Wohin tun sie eigentlich die Kilos, die hiergeblieben sind? Bewahren sie sie auf, um sie bei sinkendem Umsatz an die Besitzer zurückzuschicken? Eine gewaltige, friedliche Verspießerung hat mich ergriffen. Wer dieses Denken und Leben nachmacht, wird niemandem mehr gefährlich, nicht Mann, nicht Frau. Auch Tieren nicht, außer einem erhöhten Wasserverbrauch lebt man kontemplativ und platzsparend wie eine Amöbe. Ich habe mir einen Spielzeugphotoapparat gekauft, wegen der Sonnenaufgänge.
    Am Swimmingpool ist ein Kind gelandet, und diesem winzigen Mädchen gelingt es, den akustischen Eindruck eines ganzen Kindergartens in voller Aktion über das riesige, stille
Gelände zu stülpen. Es ist faszinierend: Das kreischt und lebt aus voller Kehle, was sagt ihm Einkehr, was sagt ihm Vergänglichkeit? Ein einziger kleiner Mensch in irrem Daseinsglück, das will hinausgeplärrt werden. Das ganze Haus ist ein einziges, mißbilligend melancholisches Ohr.
    Mein Abend wird perfekt sein, stricken und Scarlett O'Hara. Wer mir das je gesagt hätte.
    Â 
    Samstag
    Â 
    Allmählich sinke ich immer tiefer in die wunderbare Ereignislosigkeit ab, jenen Luxus, den man erst spät als solchen erkennt. Überall auf der Welt müssen die Menschen am Samstagabend irgendwohin, sie müssen sich feinmachen, sie müssen sich auf jede nur erdenkliche Weise Zutritt zur Welt verschaffen und vor sich selber behaupten, Gedränge sei ein Beweis für unangefochtenes Vorhandensein. Manche arme Frau fleht ihren stummen Telefonhörer an und tröstet sich mit Tiefkühltorte, ohne sie vorher aufzutauen. Das Samstagselend lärmt, stinkt und kostet viel Geld. Ich ziehe mich in einen Sessel zurück, verteile einige stille Zerstreuungsmöglichkeiten um mich herum und lasse den Fernseher zu Wort kommen. Die Zeit bremst hörbar. Sie rattert und rumpelt noch ein bißchen vor sich hin, ächzt – und dann Stille. Leise plaudernde Stille. Alles steht. Wie schön.
    In regelmäßigen Abständen bekomme ich auf dem
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