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Rund wie die Erde

Rund wie die Erde

Titel: Rund wie die Erde
Autoren: Eva Demski
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Rund wie die Erde
    So könnte man es sich mit dem gebotenen Respekt vorstellen: Eines Tages nahm der Allmächtige eine Handvoll Materie, spielte damit und formte die Erde. Wie sich die Dinge weiter mit ihr zutrugen, braucht uns hier, Ihm sei Dank, nicht zu kümmern – jedenfalls ist unstreitig so der erste Knödel entstanden. Wer immer danach geduldig und nachdenklich teigdrehend in der Küche steht, sollte sich dessen erinnern. Nein, wir werden hier nicht das Wort »Kloß« einführen, nicht ein einziges Mal, jenes preußische Unwort, das wir den Trauer- und Erdklößen verdanken, die nie wissen werden, was ein Kartoffelknödel verliert, wenn man ihn zum Kloß degradiert. Einen Knödel hat der Schöpfer im Sinn gehabt, keinen Kloß! Was daraus wurde – es mag am falschen Garen gelegen haben. Das aber, wie gesagt, hat uns hier nicht zu kümmern. Die Geschichte fängt eigentlich ganz anders an, viel näher und sehr wenig mythisch, sie fängt mit meinem Neffen an, der kategorisch erklärte, nur runde Nahrung zu sich zu nehmen. »Ich will nur runde Sachen essen!« sagt er, seit er überhaupt etwas sagen kann und einen eigenen Willen hat. So kam ich aufs Nachdenken über den Knödel, das Runde an sich. Die Dreiquartelanalytiker, die abscheulichen, ungebetenen Partypsychiater und Handstricktherapeuten werden mit den Mutterbrüsten daherkommen, von denen der Knabe entweder zu wenig oder zuviel gesehen hätte. Nichts davon! Außerdem lebt der Knabe in der Oberpfalz, da hat man sowas gar nicht. Psychologie, meine ich. Und er weiß auch nichts von jenem Sechsundachtzigjährigen, den ich in Südtirol kennengelernt
hatte. Der Mann rauchte wie ein Schornstein, trank nicht wenig Schnaps und ernährte sich, wie er glaubhaft versicherte, seit seiner Entwöhnung von den mütterlichen Rundungen von Speckknödeln. Ein Leben lang Speckknödel, zweimal am Tag Speckknödel und nur manchmal einen Salat dazu. Der Mann ist vollkommen gesund. Man wird ihm einen Knödel ins Grab nachwerfen, wenn er überhaupt stirbt, vielleicht hat er ja mit der vollkommen runden Ernährung als erster im runden Universum den Schlüssel zur Unsterblichkeit gefunden. Das alles interessiert meinen Neffen gar nicht, und nur Speckknödel wären ihm zu fad, da doch Hunderte von Knödelsorten am kulinarischen Himmel aufscheinen, ein Planetarium runder Genüsse gleichsam.
    Rundes will er essen? höre ich die Knödelbanausen fragen. Dann geben Sie ihm doch Tomaten, Orangen oder Kartoffeln – das ist auch alles mehr oder weniger rund. Die Ahnungslosen! Das Wesen des Knödels ist nicht denkbar ohne die Verwandlung eines Rohstoffs in die Vollkommenheit des Runden. Erst als Knödel ist die Kartoffel wirklich rund und wahrhaft genießbar!
    Das Schöpferische will der Knödelsüchtige mitessen, und das Rund der Aprikose ist vollkommen, wenn ihr Kern durch ein Stück Zucker (der ins Innenrund hineinschmilzt) ersetzt und ihre äußere Rundung durch einen zarten Nudelteig mit Butter, Zucker und Zimt gestaltet worden ist. Das naturgegebene Rund wird durch die Kunstrundung erhöht. Das ist Kultur! Es muß keine Aprikose sein, auch Zwetschgen und Kirschen lassen sich auf diese Weise veredeln. Und es muß kein Nudelteig sein, auch ein rauhleichter Quarkteig oder ein in diesem Fall eher biederer Kartoffelteig sind brauchbar. Bieder ist der Kartoffelteig, aber wirklich nur bei der Er
höhung und Vervollkommnung der Früchte! Für sich genommen ist nämlich der Knödel die Apotheose der Kartoffel, mehr Kartoffel, als eine simple Kartoffel je sein kann! Aber man muß sich dem Prozeß der Kartoffelverwandlung stellen: Tüten voll mißtrauenerweckenden Pulvers und gar jene Papiersäckchen, in denen durch Kochen ein walzenförmiges Ding von gummiartiger Konsistenz entsteht, müssen wir vergessen. Natürlich bleibt es jedermann unbenommen, derlei zu produzieren und zu essen. Man sollte es nur nicht Knödel nennen dürfen.
    Vor den Knödel haben die Götter jene Flüssigkeiten gesetzt, die in diesem und anderem Zusammenhang gern genannt werden (und wir werden sehen, daß es hier buchstäblich zutrifft): Blut, Schweiß und Tränen. Nicht alles muß für jede Knödelsorte vergossen werden – fangen wir also mit dem Blut an. Der wirklich echte Reiberknödel, der aus rohen Kartoffeln geriebene,
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