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Ein Fest der Liebe – Nacht der Wunder

Ein Fest der Liebe – Nacht der Wunder

Titel: Ein Fest der Liebe – Nacht der Wunder
Autoren: Linda Lael Miller
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1. KAPITEL
    22. Dezember 1896
    L izzie McKettrick lehnte sich in ihrem Sitz nach vorn, als würde der Zug auf diese Weise schneller fahren. Nach Hause. Sie fuhr endlich
nach Hause
, auf die Triple M Ranch, zu ihrer großen, lauten Familie. Nach über zwei Jahren, in denen sie zuerst in Miss Ridgelys Anstalt für junge Frauen gutes Benehmen und Kultiviertheit gelernt und dann eine normale Schule besucht hatte, kehrte Lizzie zurück. Endlich zurück zu den Menschen, die sie liebte – und zwar für immer. Sie kam einen Tag früher als erwartet an, um alle zu überraschen – ihren Vater, ihre Stiefmutter Lorelei und die kleinen Brüder John Henry, Gabriel und Doss. Für alle hatte Lizzie Geschenke gekauft. Die meisten hatte sie schon vor Wochen von San Francisco aus losgeschickt. Ein paar besonders wertvolle jedoch lagen gut verpackt in einer ihrer drei riesigen Reisetruhen.
    Nur ihr Großvater Angus McKettrick, der Patriarch des großen Familienclans, wusste, dass sie schon heute Abend kam. Er wird an dem kleinen Bahnhof in Indian Rock auf mich warten, dachte Lizzie glücklich – wahrscheinlich mit den Zügeln eines großen flachen Pferdeschlittens in der Hand. Mit diesen Schlitten schafften sie normalerweise das Futter zu eingeschneiten Rinderherden. Sie hatte ihm in ihrem letzten Brief geschrieben, dass sie all ihre Sachen mitbringen würde. Denn dieses Mal kam sie für immer zurück und nicht nur für einen kurzen Besuch zu Weihnachten wie in den letzten beiden Jahren.
    Lizzie lächelte, weil selbst ihr engster Vertrauter Angus – von ihren Eltern einmal abgesehen – nicht
alle
Fakten ihrer Rückkehr kannte.
    Aus den Augenwinkeln betrachtete sie Whitley Carson, der neben ihr gegen das verrußte Fenster gelehnt und in eine Decke gekuschelt tief und fest schlief. Sein Atem ließ die Scheibe beschlagen. Immer wieder zuckte er zusammen und grummelte etwas vor sich hin.
    Leider war Whitley zwar äußerst charmant, hielt aber offenbar wenig von Zugreisen. Seit sie in San Francisco eingestiegen waren, hatte er kaum eine Gelegenheit verstreichen lassen, sich zu beschweren.
    Der Zug wäre schmutzig.
    Es gäbe keinen Speisewagen.
    Der über ihnen wabernde Zigarrenqualm reizte seinen Husten.
    Ihm würde nie mehr warm werden.
    Was in aller Welt war nur in die Frau drei Reihen hinter ihnen gefahren, dass sie eine so lange Reise mit zwei frechen Kindern und einem schreienden Säugling antrat?
    In diesem Moment gab das Baby einen kläglichen Schrei von sich.
    Lizzie, die an Babys gewöhnt war, weil es so viele davon auf Triple M gab, störte das nicht. Was sie hingegen sehr wohl störte, war Whitleys offensichtlicher Unmut gegenüber Kindern. Obwohl sie als Lehrerin arbeiten wollte – verheiratet oder nicht –, hoffte sie, eines Tages selbst einen ganzen Stall voller Kinder zu haben. Gesunde, laute, wilde Kinder, aus denen selbstbewusste Erwachsene und Freidenker werden würden. Es fiel ihr nicht leicht, in jenem Whitley den Vater ihrer Kinder zu sehen.
    Der Mann jenseits des Gangs legte seine Zeitung zur Seite, stand auf und streckte sich. Er war vor ein paar Stunden zugestiegen, in Phoenix, in der Hand eine Arzttasche aus gesprungenem und verkratztem Leder. Seine Weste war sauber, aber sichtlich abgetragen. Er trug weder Hut noch Waffe – ein seltener Anblick in dem noch immer wilden Gebiet um Arizona herum.
    Obwohl Lizzie annahm, dass Whitley, sobald sie bei ihrer Familie waren, um ihre Hand anhalten würde, warf sie dem Fremden verstohlene Blicke zu. Er hatte irgendetwas an sich, das immer wieder ihre Aufmerksamkeit auf sich zog.
    Der Mann hatte dunkles, recht langes Haar und braune ernste Augen. Auch wenn er vermutlich nicht viel älter als Lizzie war, die demnächst zwanzig wurde, lag eine Reife in seinem Verhalten und seiner Miene, die sie anzog. Es kam ihr so vor, als ob er schon viele Leben gelebt hätte, zu anderen Zeiten und an anderen Orten.
    Sie hörte, wie er leise zu der Mutter sprach, und spürte ein ganz spezielles kleines Ziehen an der geheimsten Stelle ihres Herzens, als sie sah, wie er das in einen schäbigen, ausgefransten Quilt gewickelte Kind hielt.
    Whitley schlief weiter.
    Außer ihnen saßen nur wenige andere Passagiere in dem Waggon. Ein fahler und sehr magerer Soldat in blauer Uniform, der sich offenbar gerade von einer grässlichen Krankheit oder Verletzung erholte. Ein beleibter Vertreter mit einem Musterkoffer auf dem Schoß, dessen Griff er mit einer Hand umklammerte, während er in der
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