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Rum Diary: Roman zum Film (German Edition)

Rum Diary: Roman zum Film (German Edition)

Titel: Rum Diary: Roman zum Film (German Edition)
Autoren: Hunter S. Thompson
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hinauf, Mantel und Schreibmaschine in der einen, eine kleine Ledertasche in der anderen Hand. Die Hinweisschilder führten mich zu einer weiteren Gangway und schließlich zum Coffee Shop. Als ich hineinging, schaute ich in einen Spiegel. Abgerissen und zwielichtig sah ich aus, ein bleicher Reisender mit geröteten Augen.
    Und ich stank auch noch nach Bier. Es rumorte in meinem Magen wie ranzige Milch, und ich versuchte, niemanden anzuatmen, als ich mich an die Theke setzte und Ananas in Scheiben bestellte.
    Draußen glitzerte das Rollfeld in der Morgensonne. Dahinter, zwischen mir und dem Ozean, lag ein dichter Palmendschungel. Einige Meilen weiter draußen auf dem Meer strich ein Segelboot langsam über den Horizont. Ich starrte eine Weile hinaus und fiel in eine Art Trance. Es sah friedlich aus dort draußen, friedlich und heiß. Ich wollte zwischen den Palmen umherlaufen und schlafen, Ananasstücke essen, durch den Dschungel wandern und umkippen.
    Statt dessen bestellte ich einen Kaffee und sah mir wieder das Telegramm an, das ich zusammen mit meinem Flugticket bekommen hatte. Dort stand etwas von einer Reservierung im Condado Beach Hotel.
    Es war noch nicht einmal sieben Uhr morgens, und der Coffee Shop füllte sich. Grüppchen von Männern saßen an den Tischen beim großen Fenster, nippten an einem milchigen Gebräu und unterhielten sich aufgeregt. Einige trugen Anzüge, die meisten aber eine Art Inseluniform – klobig eingefaßte Sonnenbrille, schimmernde dunkle Hose, weißes kurzärmeliges Hemd, Krawatte.
    Ich schnappte einige Gesprächsfetzen auf: » … am Strand gibt’s doch nichts Billiges mehr … ja, aber das hier ist nicht Montego, meine Herren … keine Sorge, der hat mehr als genug, was zählt … alles unter Kontrolle, aber wir müssen schnell sein, bevor Castro mit seiner Meute einfällt und dann …«
    Nach zehn Minuten halbherzigem Zuhören hatte ich den Verdacht, in ein Spekulantennest geraten zu sein. Die meisten schienen auf den Sieben-Uhr-Dreißig-Flug aus
Miami zu warten, der den Gesprächen zufolge randvoll sein mußte mit Architekten, Sprengmeistern, Beratern und dem einen oder anderen Sizilianer, der aus Kuba flüchtete.
    Ihre Stimmen gingen mir durch und durch. Auch wenn ich persönlich keinen vernünftigen Grund haben mag, über Spekulanten zu lästern: Der Akt des Verkaufens widert mich an. Ich hegte das klammheimliche Verlangen, einem Geschäftsmann die Fresse zu polieren, ihm die Zähne auszuschlagen und ein paar blaue Augen zu zaubern.
    Sobald das Geschwätz in mein Bewußtsein gedrungen war, konnte ich nichts anderes mehr hören. Es verdarb mir meine angenehm träge Stimmung und nervte mich schließlich so sehr, daß ich den Rest meines Kaffees hinunterspülte und ging.
    An der Gepäckausgabe war niemand mehr. Ich fand meine beiden Matchbeutel und ließ sie von einem Kofferträger zum Taxistand bringen. Den ganzen Weg durch die Halle versuchte der Kerl mich mit seinem Dauergrinsen freundlich zu stimmen und sagte andauernd: »Sí, Puerto Rico está bueno … ah, sí, muy bueno … mucho ha-ha, sí…«
    Im Taxi lehnte ich mich zurück und zündete ein Zigarillo an, das ich im Coffee Shop gekauft hatte. Jetzt fühlte ich mich besser; warm und schläfrig und absolut frei. Während die Palmen vorbeirauschten und eine gigantische Sonne vor uns auf die Straße hinunterbrannte, bekam ich einen Flash, wie zuletzt in meinen ersten Monaten in Europa: eine Mischung aus Ahnungslosigkeit und lockerem »Was soll’s«-Vertrauen, das einen Mann beschleicht, wenn er den Wind spürt und sich schnurgerade auf einen unbekannten Horizont zubewegt.
    Wir rasten auf einer vierspurigen Schnellstraße dahin. Auf beiden Seiten erstreckte sich ein weitläufiger Komplex
gelber Wohnsiedlungen mit hohen Maschendrahtzäunen. Kurz darauf fuhren wir an etwas vorbei, das wie ein neuer Wohnblock aussah, voll von identischen pinkfarbenen und blauen Häusern. An der Zufahrt war eine Reklametafel, die dem Reisenden mitteilte, daß er gerade die El Jippo Urbanización passierte. Gleich neben der Tafel stand eine winzige Hütte aus Palmwedeln und Blechresten, und daneben ein handbemaltes Schild mit der Aufschrift Coco Frío . Drinnen lehnte sich ein Junge von vielleicht dreizehn Jahren auf ein Holzbrett und starrte auf die vorbeifahrenden Wagen hinaus.
    Halb betrunken an einem fremden Ort anzukommen, zerrt an den Nerven. Es ist ein Gefühl, daß irgend etwas nicht stimmt, daß man nichts in den Griff bekommt.
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