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Rum Diary: Roman zum Film (German Edition)

Rum Diary: Roman zum Film (German Edition)

Titel: Rum Diary: Roman zum Film (German Edition)
Autoren: Hunter S. Thompson
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Verlierer, die nicht einmal in der Lage waren, eine Postkarte zu schreiben. Idioten und Flüchtlinge und gemeingefährliche Säufer fanden sich ebenso wie ein kubanischer Ladendieb, der eine Pistole unter der Armbeuge trug, oder ein schwachsinniger Mexikaner, der kleine Kinder belästigte. Dazu kamen Zuhälter und Päderasten und Infizierte aller Art, und die meisten arbeiteten gerade lange genug, um sich ein paar Drinks und ein Flugticket zu verdienen.
    Es waren aber auch Leute wie Tom Vanderwitz dabei, der später für die WASHINGTON POST schreiben und den Pulitzer-preis bekommen sollte. Und ein Mann namens Tyrrell, heute Redakteur bei der Londoner TIMES , der fünfzehn Stunden am Tag schuftete, damit das Blatt nicht unterging.
    Als ich anfing, gab es die NEWS gerade seit drei Jahren, und Ed Lotterman war am Rande eines Nervenzusammenbruchs. Wenn er redete, schien es, als würde er über die ganze Welt herrschen und sich für eine Kombination aus Gott, Pulitzer und der Heilsarmee halten. Und er hatte eine Vision: Würden alle Mitarbeiter der letzten Jahre gleichzeitig vor den Thron des Allmächtigen treten und mit ihren Ticks und Lügen und Fehltritten herausrücken müssen – dann, so glaubte er fest, würde Gott persönlich einen Anfall bekommen und sich die Haare ausreißen.
    Natürlich neigte Lotterman zu Übertreibungen. Bei seinen Wutausbrüchen vergaß er die wirklich guten Leute, er hatte es immer nur auf diejenigen abgesehen, die er »die Saufköpfe« nannte. Doch von denen gab es nun einmal mehr als genug. Mit ein bißchen gutem Willen ließe sich über die Redaktion sagen: ein seltsamer, kaum zu bändigender, nicht gerade vertrauenserweckender Haufen, der es immerhin schaffte, eine Zeitung herauszubringen. Im schlimmsten Fall aber waren die Jungs verwahrlost, betrunken und launisch wie Ziegenböcke.
    Sie maulten und stöhnten, als Al den Bierpreis auf fünfundzwanzig Cents erhöhte – in einem »Anfall von Habgier«, wie sie es nannten. Sie maulten und stöhnten aber nur so lange, bis Al eine Liste mit den Bier- und Schnapspreisen des Caribé Hilton an die Wand pinnte; seine mit schwarzer Kreide gekritzelte Schrift hing für jeden gut sichtbar über dem Tresen.
    Da die Zeitung eine Anlaufstelle für alle möglichen Schreiberlinge, Fotografen und selbsternannten Schriftsteller war, die es zufällig nach Puerto Rico verschlagen hatte, kam Al bald in den zweifelhaften Genuß einer anderen Seite dieser Branche: Die Schublade unter der Registrierkasse quoll über vor Zetteln aus aller Welt, auf denen hoch und heilig versprochen wurde, »diese Rechnung demnächst zu begleichen«. Vagabundierende Journalisten sind notorische Schnorrer, und auch wenn offene
Rechnungen beunruhigend sein mögen, finden sie das irgendwie auch schick.
    Ich nenne sie vagabundierende Journalisten, weil sie nie lange blieben, und wenn einer verschwand, kam der nächste. Sie konnten lange ausharren und sich blitzschnell in Bewegung setzen und folgten weder einer Ideologie noch irgendwelchen Werten. Was zählte, waren Glück und gute Kontakte.
    Manche von ihnen waren eher Journalisten als Vagabunden, andere eher Vagabunden als Journalisten. Von wenigen Ausnahmen abgesehen arbeiteten sie nebenbei als freie Möchtegern-Auslandskorrespondenten und wollten mit dem journalistischen Establishment möglichst wenig zu tun haben. Schmierige Karrieristen und nationalistische Plappermäuler wie bei den finanzstarken Zeitungen und Nachrichtenmagazinen des Luce-Konzerns gab es hier allerdings nicht.
    Puerto Rico war eher wie ein brackiges Gewässer, und bei der DAILY NEWS arbeiteten hauptsächlich schlecht gelaunte Typen, die nie zur Ruhe kamen. Sie ließen sich treiben, wohin der Wind des Gerüchts und der günstigen Gelegenheit sie trug. Durch ganz Europa, Lateinamerika und in den fernen Osten – wo immer es englischsprachige Zeitungen gab, hüpften sie von der einen zur anderen, immer auf der Suche nach der sensationellen Geschichte oder der reichen Erbin, die schon die nächste Flugreise versprach.
    In gewisser Weise gehörte ich dazu – kompetenter und beständiger als einige andere –, und ich war selten arbeitslos in jenen Jahren. Manchmal arbeitete ich für drei Zeitungen gleichzeitig. Ich schrieb Werbetexte für neue Spielkasinos und Bowlingcenter, war Experte für das Hahnenkampf-Syndikat, hundertprozentig korrupter Kritiker von Luxusrestaurants, außerdem Yacht-Fotograf und regelmäßiges Opfer von Polizeigewalt. Ich war gierig
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