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Rum Diary: Roman zum Film (German Edition)

Rum Diary: Roman zum Film (German Edition)

Titel: Rum Diary: Roman zum Film (German Edition)
Autoren: Hunter S. Thompson
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er nach einer Weile. »Das gefällt mir gar nicht, mich mit einem Koffer und mit hundert Dollar nach Südamerika absetzen zu müssen.«
    Er lehnte sich in den Sitz zurück und weinte. Ein paar hundert Yards links neben der Straße konnte ich die Brandung hören. Rechts konnte ich den Gipfel von El Yunque sehen, eine schwarze Silhouette, die sich vom bedrohlich wirkenden Himmel abhob.
    Es war fast halb zwei, als wir das Ende des Highways erreicht hatten und nach Fajardo abbogen. Die Stadt war dunkel, kein Mensch war auf der Straße. Wir fuhren um die leere Plaza und hinunter zum Fährdock. Ungefähr einen Block entfernt gab es ein kleines Hotel, vor dem ich hielt, während er hineinging, um ein Zimmer zu mieten.
    Nach ein paar Minuten kam er wieder und stieg in den Wagen. »Alles in Ordnung«, sagte er. »Die Fähre startet um acht.«
    Er schien noch ein bißchen sitzen bleiben zu wollen, also zündete ich noch eine Zigarette an und versuchte, mich zu entspannen. In der Stadt war es so still, daß sich jedes Geräusch, das wir machten, auf gefährliche Weise verstärkte. Einmal stieß die Rumflasche gegen das Lenkrad, als er sie mir zurückgab, und ich schreckte auf, als hätte jemand einen Schuß abgefeuert.
    Er lachte leise. »Bleib locker, Kemp. Du mußt dir keine Sorgen machen.«
    Ich war weniger besorgt, mir war eher nicht ganz geheuer. Etwas Unheimliches lag über der ganzen Angelegenheit, als hätte Gott in einem Anfall von Ekel entschieden, uns alle auszulöschen. Alle Verbindungen brachen auseinander; es schien nur einige Stunden her zu sein, daß ich mit Chenault im sonnigen Frieden meines eigenen Reichs frühstückte. Dann hatte ich mich in den Tag vorgewagt und war kopfüber in eine Orgie von Mord und Gekreisch und splitterndem Glas gesprungen. Jetzt ging es so sinnlos zu Ende, wie es begonnen hatte. Jetzt war alles vorbei, da war ich mir ganz sicher, denn jetzt verabschiedete sich Yeamon. Vielleicht würde es noch ein Geräusch geben, wenn er weg war, aber es würde ein gewöhnliches Geräusch sein, mit dem man umgehen und das man auch ignorieren kann – anstatt jener plötzlichen entnervenden Eruptionen, die einen hineinziehen und gnadenlos herumschleudern.
    Ich konnte mich nicht mehr genau erinnern, wo es tatsächlich angefangen hatte, aber es endete hier in Fajardo, einem kleinen, dunklen Flecken auf der Landkarte, der das Ende der Welt zu sein schien. Yeamon fuhr von hier aus weiter, und ich fuhr zurück; es war definitiv das Ende von etwas, aber ich war mir nicht sicher, wovon.
    Ich zündete noch eine Zigarette an, dachte an all die Anderen, und fragte mich, was sie heute Nacht taten, während ich hier in einer dunklen Straße in Fajardo saß und mit einem Mann aus einer Rumflasche trank, der morgen als flüchtiger Mörder gesucht werden würde.
    Yeamon gab mir die Flasche und stieg aus dem Wagen. »Also, wir sehen uns, Paul – weiß Gott wo.«
    Ich lehnte mich über den Sitz hinüber und streckte meine Hand aus. »Wahrscheinlich in New York«, sagte ich.
    »Wie lange bleibst du noch hier?« fragte er.
    »Nicht lange«, antwortete ich.
    Er schüttelte ein letztes Mal meine Hand. »Okay, Kemp«, sagte er mit einem Grinsen. »Danke für alles – auf dich konnte ich zählen, du warst wie ein Freund – ein Champ.«
    »Himmel«, sagte ich und ließ den Motor an. »Wenn wir betrunken sind, sind wir alle Champs.«
    »Niemand ist betrunken«, sagte er.
    »Ich schon«, sagte ich. »Sonst hätte ich dich bei den Bullen verpfiffen.«
    »Red keinen Scheiß«, erwiderte er.
    Ich schaltete in den ersten Gang. »Okay, Fritz, viel Glück.«
    »Danke«, sagte er, als ich losfuhr. »Dir auch.«
    Ich mußte bis zur Ecke, um zu wenden, und als ich die Straße wieder zurückkam, fuhr ich noch einmal an ihm vorbei und winkte. Er ging hinunter zur Fähre, und als ich an der Ecke war, hielt ich an, um zu sehen, was er jetzt machen würde. Es war das letzte Mal, daß ich ihn gesehen habe, und ich erinnere mich sehr genau. Er ging hinunter auf den Pier und blieb in der Nähe eines hölzernen Laternenpfahls stehen und schaute aufs Meer. Das einzige Lebewesen in einer toten karibischen Stadt – in einem zerknitterten Palm-Beach-Anzug, seinem einzigen Anzug, der jetzt voller Dreck und Grasflecken und ausgebeulter Taschen war, eine große Gestalt, allein herumstehend auf einem Pier am Ende der Welt, in seinen eigenen Gedanken versunken. Ich winkte noch einmal, obwohl er mit dem Rücken zu mir stand, und hupte zweimal
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