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Rum Diary: Roman zum Film (German Edition)

Rum Diary: Roman zum Film (German Edition)

Titel: Rum Diary: Roman zum Film (German Edition)
Autoren: Hunter S. Thompson
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kurz, als ich schnell aus der Stadt fuhr.

21
    AUF DEM WEG ZURÜCK ins Apartment hielt ich an, um die Morgenausgaben zu besorgen. Ich war fassungslos, als ich auf der Titelseite von EL DIARIO Yeamon sah; darunter eine dicke Schlagzeile: »Matanza en Río Piedras«. Es war ein Ausschnitt aus dem Photo von uns dreien im Knast, als wir festgenommen und zusammengeschlagen worden waren. Tja, dachte ich, jetzt ist es soweit. Das Spiel ist aus.
    Ich fuhr nach Hause und rief bei Pan Am an, um mir einen Platz in der Morgenmaschine zu reservieren. Dann packte ich meine Taschen. Ich kramte alles zusammen – Kleider, Bücher, ein großes Album mit meinen Sachen von der NEWS – und steckte es in zwei Matchbeutel. Ich stellte sie nebeneinander, dann legte ich meine Schreibmaschine und mein Rasierzeug darauf. Und das war alles – meine weltlichen Dinge, die mageren Früchte einer zehnjährigen Odyssee, die allmählich nach einer verlorenen Sache aussah. Beim Gehen dachte ich noch daran, eine Flasche Rum Superior für Chenault mitzunehmen.
    Ich hatte noch drei Stunden herumzubringen und mußte einen Scheck einlösen. Bei Al würde das gehen, das wußte ich, aber vielleicht würde dort schon die Polizei auf mich warten. Ich beschloß, es dennoch zu riskieren und sehr vorsichtig durch Condado zu fahren, über den Damm und dann in die verschlafene Altstadt.
    Bei Al war es leer, nur Sala saß allein im Hof. Als ich zu
seinem Tisch ging, schaute Sala auf. »Kemp«, sagte er, »ich fühle mich hundert Jahre alt.«
    »Wie alt bist du wirklich?« sagte ich. »Dreißig? Einunddreißig?«
    »Dreißig«, sagte er schnell. »Bin erst letzten Monat dreißig geworden.«
    »Meine Fresse«, erwiderte ich. »Stell dir vor, wie alt ich mich fühlen muß – ich bin fast zweiunddreißig.«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich hätte niemals gedacht, daß ich überhaupt die dreißig erleben würde. Ich weiß nicht warum, aber aus irgendeinem Grund habe ich nicht damit gerechnet.«
    Ich lächelte. »Ich weiß gar nicht, wie das bei mir war – ich habe nie viel darüber nachgedacht.«
    »Tja«, sagte er. »Ich hoffe jedenfalls bei Gott, daß ich niemals vierzig werde – ich wüßte gar nicht, was ich dann mit mir anfangen sollte.«
    »Vielleicht schon«, sagte ich. »Wir sind auf dem Weg nach unten, Robert. Von hier aus wird die Fahrt ziemlich unangenehm.«
    Er lehnte sich zurück und sagte nichts mehr. Es war kurz vor der Morgendämmerung, doch Nelson Otto klimperte immer noch auf seinem Piano. Er spielte das Stück »Laura«, und die traurige Melodie schwebte hinaus auf den Hof und hing in den Bäumen wie Vögel, die zu müde waren, um zu fliegen. Es war eine heiße Nacht, beinahe windstill, aber ich spürte kalten Schweiß in meinen Haaren. Weil ich nichts besseres zu tun hatte, studierte ich das Loch, das eine Zigarette in den Ärmel meines feinen Hemds aus englischem Tuch gebrannt hatte.
    Sala bestellte weitere Drinks, und Sweep brachte vier Rum und sagte, sie würden aufs Haus gehen. Wir bedankten uns und saßen eine halbe Stunde herum, ohne zu
reden. Unten am Ufer hörte ich das langsame Läuten einer Schiffsglocke, als sich ein Schiff auf den Pier zubewegte, und irgendwo in der Stadt dröhnte ein Motorrad durch die engen Gassen und schickte sein Echo den Hügel herauf in die Calle O’Leary. Stimmen im Haus nebenan wurden lauter und erstarben, und von einer Bar weiter unten an der Straße kam das Lärmen einer Jukebox. Klänge einer Nacht in San Juan, die es durch Schichten feuchter Luft über die Stadt wehte; Geräusche von Leben und Bewegung, Menschen, die sich bereit machten und Menschen, die aufgaben, der Klang der Hoffnung und der Klang des Durchhaltens, und hinter all dem das leise tödliche Ticken von tausend hungrigen Uhren, der einsame Klang vergehender Zeit in der langen karibischen Nacht.

Die Originalausgabe THE RUM DIARY erschien 1998 bei Simon & Schuster, New York
    Die deutsche Hardcover-Ausgabe erschien 2004 im blumenbar Verlag, München
     
     
     
     
     
     
     
     
    2. Auflage
    Deutsche Taschenbucherstausgabe 12/2005
    Copyright © 1998 by Hunter S.Thompson
Copyright © 2004 der deutschen Ausgabe by
    Wilhelm Heyne Verlag, München
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Umschlagillustration und Umschlaggestaltung:
Nele Schütz Design, München
Satz: Frese, München
     
    eISBN 978-3-641-09725-7
     
     
     
     
    http//www.heyne.de
    www.randomhouse.de

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