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Rueckkehr nach Glenmara

Titel: Rueckkehr nach Glenmara
Autoren: Heather Barbieri Sonja Hauser
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Frau, die sicher für jünger gehalten worden wäre, wenn sie nicht ständig selbst über das Thema gesprochen hätte.

    Aileen hatte sich nie sonderlich wohl gefühlt in ihrem Körper, weil ihr nicht bewusst war, dass ihre Schwächen – die etwas zu große Nase, die Lücke zwischen den Zähnen und ihre hagere Gestalt – sie zusammengenommen attraktiv machten. Und sie hörte auch nicht zu, wenn Bernie ihr das sagte. Wir sind befreundet, Bee, du musst mir ja nach dem Mund reden , meinte sie dann.
    »Probier’s mal mit Baldriantee«, schlug Bernie vor. »Der soll helfen.«
    »Erregt wahrscheinlich Krebs.«
    »Heutzutage gilt fast alles als krebserregend. Mach dir nicht so viele Gedanken. Du lebst nur einmal.« So lautete ihr Mantra seit Johns Tod, besonders wenn sie sich vormittags dabei ertappte, wie sie stundenlang aus dem Fenster starrte, der Tee neben ihr inzwischen kalt, ihr Labrador Fergus besorgt winselnd zu ihren Füßen.
    »Ich bin einfach nicht so gestrickt – besonders schlimm wird’s, wenn ich nicht zur Ruhe komme. Ich würde viel geben für eine durchgeschlafene Nacht. Früher hab ich geschlafen wie ein Murmeltier …«
    »Ja, ich erinnere mich. Als kleines Mädchen hast du fürchterlich geschnarcht.«
    »Das waren die Polypen. Ist besser geworden, seit sie draußen sind, obwohl ich das Gefühl habe, dass ich jetzt beim Ausatmen durch die Nase pfeife.«
    »Vielleicht solltest du eine Band mit Flöten und Fiedeln gründen«, neckte Bernie sie lächelnd. Bernadette Anne Cullen und Aileen Mary Flanagan waren seit vierundvierzig Jahren befreundet und konnten gar nicht glauben, wie schnell die Zeit vergangen war mit Liebesabenteuern, Enttäuschungen,
Streitereien, Hochzeiten und Todesfällen. Und noch immer saßen sie zusammen an diesem Klapptischchen, dem genauen Ebenbild dessen, an dem sie als Kinder im Sommer Zitroneneis verkauft hatten. Sie waren unzertrennlich, wie eine kleine Familie, meinte Aileen, allerdings ohne den störenden Ballast.
    »Ha, ha. Sollen wir Schluss machen? Alle andern packen ihre Sachen zusammen.« Aileen warf ein spitzenverziertes Geschirrtuch in den Korb zu ihren Füßen.
    Ein Stück weiter die Straße hinunter stieß jemand einen Jubelschrei aus, der schnell verhallte, weil der Enthusiasmus zum allgemeinen Einstimmen fehlte. In Bernies Kindheit hatte es coracle -Rennen in der Bucht und hurling -Matches auf den Feldern und die ganze Nacht hindurch Tanz gegeben. Jetzt hingen die wenigen jungen Leute im Ort am Tresen herum, mürrisch dreinblickende Teenager, wie man sie in vielen verschlafenen Dörfern finden konnte. Zu ihnen gehörte auch Aileens jüngste Tochter, die sechzehnjährige Rosheen. Erst vor Kurzem hatte sie verkündet, dass sie künftig Jane genannt werden wolle, und noch etwas von wegen »gälische Scheiße« gemurmelt. Außerdem hatte sie sich eine zweite Tätowierung und ein Nasenpiercing machen lassen. Im Moment rauchte sie mit Freunden Zigaretten. Sie und Aileen versuchten, einander zu ignorieren.
    »Bernie? Hörst du mir überhaupt zu?«, fragte Aileen. »Nur noch ein Weilchen.« Bernie hatte keine Eile, in das leere Cottage zurückzukehren. Sie und John waren kinderlos geblieben. Lediglich Fergus, der braune Labrador, der zu ihren Füßen lag, leistete ihr Gesellschaft. Fergus, der früher mit dichtem, glänzendem Fell hinter jedem Kaninchen,
Rotkehlchen und Fuchs hergejagt war, nun aber auch älter wurde.
    »Warum? Erwartest du hohen Besuch?«, erkundigte sich Aileen.
    »Man kann nie wissen, wen’s hierherverschlägt.«
    »Hierher hat’s seit Cromwells Truppen im siebzehnten Jahrhundert niemand Interessanten mehr verschlagen. Und die haben fast die gesamte Bevölkerung der Gegend ausgerottet.«
    Bernie wollte sich gerade geschlagen geben, als sie auf dem Hügel eine junge Frau entdeckte. »Siehst du«, sagte sie. »Eine Touristin.«
    Aileen spähte in die Richtung, in die Bernie zeigte. »Ein Wunder – obwohl sie den Anstand hätte haben können, jemanden mitzubringen. Wer reist heutzutage noch allein? Glaubst du, das ist eine Kriminelle?«
    »Kann ich mir nicht vorstellen.« Die junge Frau wirkte eher wie ein Kobold mit ihren großen, dunklen Augen, der hellen Haut, den langen Haaren und dem Dampf, der von ihren Schultern aufstieg.
    »Weiß man’s?«
    »Du schaust zu viele Krimis im Fernsehen.«
    »Was soll man denn hier abends auch tun, außer vielleicht noch Karten spielen oder Spitze klöppeln?«, fragte Aileen. »Mach dir mal keine zu großen
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