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Rueckkehr nach Glenmara

Titel: Rueckkehr nach Glenmara
Autoren: Heather Barbieri Sonja Hauser
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dem verwitterten Schild nach Glenmara aus nach. »Ich weiß nicht mal, wie Sie heißen.«
    »William«, antwortete er über die Schulter gewandt. »William der Reisende.«

BILD DREI
    Ein Dorf am Ende der Welt
    I hre Bemühungen – Anzeigen in den Lokalzeitungen, Pressemitteilungen an die Fremdenverkehrsämter – hatten nichts gefruchtet. Die Busfahrer brachten die Touristen lieber zu Orten mit Museen, Workshops und gewichtigerer Historie. Ihr Dorf besaß wie so viele sterbende gälische Weiler eine obskure Geschichte, die letztlich nur den Einheimischen etwas bedeutete. Auch wenn es nie genug Geld oder Arbeit gab, besonders jetzt, da auch noch die Fischerei, falls man sie überhaupt so nennen konnte, zusammenbrach, versuchten die Bewohner der Welt ein lachendes Gesicht zu zeigen.
    Die Klosterruine an der Küste, von der nur noch die Grundmauern aus Kalkstein standen und in der die Nonnen an Fieber oder wahrscheinlicher, scherzten die Ortsansässigen, an Langeweile gestorben waren, konnte sich natürlich sehen lassen. Doch in der Gegend gab es keinen heiligen Schrein, keine Piktenfestung und keine Menhire, obwohl einmal jemand das Gerücht verbreitet hatte, dass ein ganz bestimmter Stein auf Declan Moores Feld heilig sei, was die Leute glaubten, bis der Geistliche die Sache als Lüge entlarvte. Pfarrer Dominic-schmor-in-der-Hölle-Byrne verdarb
ihnen gern den Spaß. Dem Fünfundsiebzigjährigen entging nichts, er behielt seine Schäfchen Tag und Nacht im Auge. Bernie erachtete er als eine der Stützen seiner Gemeinde. Das war sie auch. Bis zu einem gewissen Grad.
    »Weißt du, dass sie im Fish-and-Chips-Laden die Bücklinge wieder in Zeitungspapier einwickeln?«, fragte ihre Freundin Aileen sie.
    »Ach nein!«, rief sie entsetzt aus. Seit dem Tod ihres Mannes John im vorigen Jahr war sie alleinige Herausgeberin und Verfasserin von Artikeln der vierseitigen Zeitung The Gaelic Voice . Die Polizeikolumne, die sie auf Aileens Drängen vor Kurzem eingeführt hatte, erfreute sich besonders großer Beliebtheit:
    Mann ruft garda , weil seine Nachbarin um zwei Uhr morgens Frank Sinatra hört. Garda rät ihm zu Geduld, weil die Frau unter Liebeskummer leidet.
    Frau ruft garda , weil eine Ratte auf ihrem Sofa sitzt und das Fußballspiel ansieht; könnte er sie vertreiben? Garda fragt, ob die Ratte Fan von Manchester United ist.
    »Doch«, meinte Aileen mit einer Nadel im Mund. »Wie hoch ist die Auflage momentan?«
    »Hundert Stück, die umliegenden Dörfer eingeschlossen«, antwortete Bernie. »Wenn’s nach mir ginge, hätten alle Orte entlang der Küste ihre eigenen gälischen Zeitungen. Das ergäbe ein richtiges gälisches Zeitungsimperium.«
    »Sachte, sachte. Du hörst dich schon an wie Machiavelli.« Aileen lachte. »Willst du irgendwann eine englischsprachige Ausgabe rausbringen?«
    »Das wär unehrlich.«
    »So mit Untertiteln wie im Film, meine ich. Es ist doch
allgemein bekannt, dass die Sprache ausstirbt, auch wenn wir das noch so sehr bedauern.«
    »Bekannte Fakten sind mir noch nie wichtig gewesen, und außerdem habe ich es mir in den Kopf gesetzt, das Gälische am Leben zu erhalten. John hätte es so gewollt.«
    Sie hätten stundenlang so weiterreden können, doch der Tag neigte sich dem Ende zu. Die Standbesitzer packten ihre Sachen zusammen oder dösten auf ihren Stühlen weg. Um diese Uhrzeit waren auf den Straßen nur noch ein paar Teenager und zwei ältere Pubstammgäste, Denny Fitzpatrick, der Vater ihrer Freundin Oona, und Niall Maloney, bekleidet mit Hose, Pullover und Kappe, unterwegs. Sie würden sich bestimmt nicht für die Spitze interessieren.
    »Zu einem Biergarten oder Espressostand würden die Leute kommen«, meinte Aileen. »Mein Sohn hat eine Espressobar in Galway, die trägt den Buchladen, den er sonst schon längst hätte schließen müssen. Primär interessieren sich die Kunden für den Kaffee, sekundär für Yeats.«
    »Wo soll das noch hinführen?« Bernie liebte Gedichte, die sie und ihr Mann einander jeden Abend vorgelesen hatten. Sie hätte nicht gedacht, dass sie irgendwann den Klang seiner Stimme vergessen würde, und alles dafür gegeben, sie noch einmal zu hören. »Wir können keinen Espresso verkaufen«, sagte sie. »Zu gefährlich, wegen der Spitze.«
    »Stimmt wahrscheinlich. Allerdings könnt ich im Moment was Belebendes vertragen. Ich hab letzte Nacht nicht sonderlich gut geschlafen. Die Wechseljahre, weißt du.« Aileen litt unter Hitzewallungen. Sie war eine beeindruckende
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