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Der stille Sammler

Der stille Sammler

Titel: Der stille Sammler
Autoren: Becky Masterman
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Prolog
    Gerald Peasil saß in seinem Van auf der Golder Ranch Road Bridge und begutachtete seine nächste Freundin, während der Motor leise im Leerlauf brummte. Sein Ellbogen lehnte im offenen Fenster, das Gesicht auf dem Unterarm. Das Gefühl, wie seine Lippen leicht auf den Härchen hin und her glitten, erregte ihn, ebenso der salzig-saure Geruch seiner Haut. Er hatte es nicht eilig, sich der Braut vorzustellen. Die Vorfreude auf das Kennenlernen war Teil des Nervenkitzels.
    Die kleine Frau stocherte zwischen den Felsen im ausgetrockneten Flussbett herum. Sie war zu beschäftigt, als dass sie Gerald bemerkt hätte. Er betrachtete sie. Das Foto der Braut war vielversprechender gewesen: Ein paar graue Haarsträhnen lugten unter ihrem khakifarbenen Hut aus Segeltuch hervor, und sie stützte sich auf einen Gehstock, wenn sie sich nach vorn beugte, um einen Stein zu untersuchen. Aber sie war schlank und zierlich und hielt sich so gerade, dass sie fast noch als scharf durchgegangen wäre.
    Die Vorstellung einer scharfen Oma machte Gerald ein bisschen Angst, aber egal. Wahrscheinlich war es eine halbe Ewigkeit her, seit jemand der Tussi Aufmerksamkeit geschenkt hatte, und über die Zuwendung eines jüngeren Mannes würde sie sich ganz sicher freuen. Gerald schob die freie Hand unter seine dünne Nylon-Trainingsshorts, spielte an sich herum und dachte an seine Mutter. Sie hatte ihn immer hart angefasst, um ihn davon abzubringen, an sich herumzufummeln – bis er groß und stark genug gewesen war, um Mom ihre teure Amway-Bratpfanne vor den Busen zu schmettern. Dad fand das lustig und hatte ihn bloß ermahnt, sich einen Gegner zu suchen, der so groß war wie er selbst. Jedenfalls, von da an war es gefährlich, Gerald zu sagen, er solle nicht an sich herumspielen. Wer diesen Fehler beging, lief Gefahr, die eigenen Zähne zu schlucken.
    Gerald ließ den Van langsam von der Brücke rollen und bog nach links ab, den steilen Hügel hinunter bis zur Böschung über dem trockenen Flussbett. Wieder hielt er an und blickte die weite sandige Fläche hinauf und hinunter.
    Die Augustsonne brannte vom Himmel, aber es war keine trockene Hitze. Stattdessen zeigte der Boden die Farbe von nassem Beton. In den Tagen zuvor hatte der Sommermonsun heftige Unwetter auf die Wüste niedergehen lassen, und im staubigen Sand waren dunkle Rinnsale, wo der Untergrund mit Regenwasser gesättigt war. Wenn in den Catalina Mountains, dem Quellgebiet, noch so ein Unwetter tobte wie letzte Nacht, würde der Fluss sich in einen reißenden Strom verwandeln.
    Doch im Augenblick konnte man durch das trockene Flussbett laufen, so wie die geile Alte jetzt. Während Gerald sie beobachtete, verschwand sie aus seinem Blickfeld. Er machte sich deshalb keine Gedanken. Schließlich konnte die Frau ihn auch nicht sehen, und das verschaffte ihm alle Zeit, sich zu überlegen, was er als Nächstes tun sollte. Und danach, und danach.
    Und danach.
    Gerald ließ den Wagen weiterrollen und bog auf den unbefestigten Weg ein, der bis ganz hinunter zum Fluss führte. Er hielt genau dort, wo der feste Untergrund endete und der weiche Flusssand begann. Dann wendete er den Van, indem er dreimal vor- und zurücksetzte, bis er in Richtung Hügel schauen konnte und die Hecktüren des Vans zum Fluss zeigten, was das Beladen vereinfachte. Außerdem konnte er einen schnellen Abgang machen, sollten er und die Braut unerwartet Gesellschaft bekommen.
    Gerald zerbrach sich nicht den Kopf darüber, ob die Frau den Motor hörte oder nicht. Ein zweiter unbefestigter Fahrweg am Flussufer zeigte ihm, dass hin und wieder andere Fahrzeuge hier entlangfuhren, also würde die Frau beim Geräusch seines Wagens bestimmt nicht erschrecken. Wahrscheinlich war sie ohnehin schwerhörig. Bei diesem Gedanken stieß Gerald ein leises belustigtes Schnaufen aus.
    Er riss den Handbremshebel hoch, stieg aus und überprüfte, ob der blaue Plastik-Duschvorhang ordentlich im Heck ausgebreitet lag und die Fesselbänder leicht erreichbar waren. Eine Zange war aus ihrem Fach in der Seitenwand gerutscht. Gerald legte sie zurück. Ein Platz für jedes Ding, und jedes Ding an seinen Platz.
    Als er mit den Vorbereitungen fertig war, zog er eine Rolle Gewebeband aus einer kleinen Kiste und riss ein zwanzig Zentimeter langes Stück ab, das er sich auf die Vorderseite seines ärmellosen T-Shirts klebte, sodass es griffbereit war, wenn er es brauchte. Dann schloss er die Hecktüren des Vans bis auf einen kleinen Spalt.
    Er
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