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Rotkäppchen und der böse Wolf

Rotkäppchen und der böse Wolf

Titel: Rotkäppchen und der böse Wolf
Autoren: Agatha Christie
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dort.«
    »Du gehörtest zum englischen Geheimdienst in Deutschland?«, fragte Sheila starr von Staunen.
    »Ja. Während meines Aufenthalts dort ereigneten sich merkwürdige Dinge. Es fing damals an. Ein- oder zweimal wäre ich beinahe erwischt worden. Meine Pläne wurden bekannt. Es wurde mir klar, dass irgendetwas nicht stimmte, dass die ›Fäulnis‹, wie sie es nennen, sogar in das Amt, dem ich diente, eingedrungen war. Meine eigenen Leute versuchten, mir Fallen zu stellen. Carl und ich hatten eine flüchtige Ähnlichkeit – mein Großvater war Deutscher –, daher eignete ich mich so gut für die Arbeit in Deutschland. Carl war kein Nazi. Er kannte eigentlich nur ein Interesse: seine Arbeit – chemische Forschung. Kurz vor Kriegsausbruch beschloss er, nach England zu fliehen. Seine Brüder waren in Konzentrationslager gesteckt worden. Er vermutete, seine Flucht würde nur unter größten Schwierigkeiten zu bewerkstelligen sein, aber wunderbarerweise schwanden alle Hindernisse wie von selbst.
    Als er mir das erzählte, wurde ich etwas misstrauisch. Warum erleichterten die Behörden Carl von Deinim alles, warum begünstigten sie seine Ausreise, wo doch seine Brüder und andere Verwandte in Konzentrationslagern saßen und er selbst antinazistischer Gesinnung verdächtig war? Mir schien, man wollte ihn aus bestimmten Gründen gern in England sehen. Meine eigene Stellung wurde immer schwieriger. Carl wohnte im gleichen Haus wie ich. Eines Tages fand ich ihn, zu meinem Entsetzen, tot im Bett. Er war einer Depression erlegen und hatte sich das Leben genommen. Einen hinterlassenen Brief las ich und nahm ihn an mich.
    Dann beschloss ich, mich in ihn zu verwandeln. Ich wollte fort von Deutschland, wollte in Erfahrung bringen, warum Carls Ausreise gefördert worden war. Ich zog der Leiche meine Kleider an und legte sie in mein Bett. Der Schuss, der durch den Kopf gegangen war, hatte sein Gesicht entstellt. Und meine Wirtin war halb blind, das wusste ich.
    Mit Carls Papieren reiste ich nach England und wandte mich an die Adresse, zu der er sich hätte begeben sollen. Diese Adresse war die Pension Sans Souci.
    Während meines Aufenthalts dort spielte ich die Rolle Carl von Deinims. Wie ich sah, war schon alles vorbereitet, damit er in einer chemischen Fabrik arbeiten könnte. Ich dachte zuerst, vielleicht wollte man ihn zwingen, für die Nazis zu arbeiten. Erst später fand ich heraus, dass mein armer Freund als Sündenbock hätte herhalten sollen.
    Als ich infolge von Mrs Sprots Machenschaften verhaftet wurde, sagte ich nichts. Ich wollte meine Identität erst so spät wie möglich aufdecken. So konnte ich besser erkennen, was eigentlich gespielt wurde. Erst vor wenigen Tagen wurde ich von einem unserer Leute erkannt. So kam die Wahrheit heraus.«
    »Mir hättest du es erzählen sollen«, sagte Sheila vorwurfsvoll.
    »Es tut mir leid, aber das durfte ich nicht«, erwiderte er sanft.
    Seine Augen senkten sich in ihre. Sie blickte ihn stolz und abweisend an – dann aber schmolz ihr Zorn dahin.
    »Du musstest handeln, wie du gehandelt hast«, sagte sie.
    »Darling…« Er straffte sich. »Komm, wir wollen tanzen!« Er zog sie mit sich zur Tanzfläche.
    Tuppence seufzte.
    »Hoffentlich mag Sheila ihn immer noch, auch wenn er kein Deutscher ist, auf dem alle herumhacken.«
    »Mir scheint, sie mag ihn sehr.«
    »Ja, aber die Iren sind ein widerspruchsvolles Volk. Und Sheila ist die geborene Rebellin.«
    »Aber warum hat er damals dein Zimmer durchsucht? Das hat uns ja so arg auf den Holzweg geführt.« Tommy lachte.
    »Nun, vermutlich fand er die Mrs Blenkensop nicht allzu überzeugend. Er hatte uns in Verdacht, genau wie wir ihn in Verdacht hatten.«
    »Hallo, ihr zwei!« Derek Beresford tanzte mit dem jungen Mädchen am Tisch seiner Eltern vorbei. »Warum tanzt ihr nicht?« Er lächelte sie ermutigend an.
    »Wie lieb sie uns behandeln. So wohl wollend. Einfach rührend«, sagte Tuppence.
    Als der Tanz zu Ende war, kamen Deb und Derek mit ihren Tanzpartnern an den Tisch und setzten sich.
    »Ich bin froh, dass du nun doch etwas tun kannst«, sagte Derek zu seinem Vater. »Interessant ist es wohl nicht?«
    »Reine Bürohockerei«, gab Tommy Auskunft.
    »Schadet nichts. Hauptsache, du hast etwas zu tun. Darauf kommt’s schließlich an.«
    »Und wie schön, dass Mutter nun auch arbeiten darf«, sagte Deborah. »Sie sieht jetzt viel froher und jünger aus. War es sehr langweilig?«
    »Ach nein, langweilig eigentlich nicht«,
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