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Rosenrot, rosentot

Rosenrot, rosentot

Titel: Rosenrot, rosentot
Autoren: Emily Arsenault
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ich sie stehen und beschloss, in dem veredelten »Stompy’s« nach einer schönen Flasche Wein zu gucken.
    Als ich durch die Drehtüren nach draußen kam, regnete es heftiger als vorher. Ein paar Leute standen unter den Markisen der Läden. Für einen Moment blieb ich ebenfalls dort stehen und lauschte ihren gemurmelten Kommentaren. Sie redeten von »Eimern« und »Bindfäden« und sagten Dinge wie: »Sieht aus, als wenn es weniger wird. Wollen wir loslaufen?« Vorsichtshalber sah ich niemanden an, denn wenn ich mit jemandem ein Lächeln oder einen genervten Blick geteilt hätte, wäre ich ein Teil dieser Gruppe geworden. Und dann hätte ich warten müssen, bis sich alle einig waren, dass man zum Auto rennen konnte, oder – schlimmer noch – hätte mich rechtfertigen müssen, wenn ich vor allen anderen losstürmte.
    Also trat ich unter der Markise hervor, lief um die größten Pfützen herum – und erreichte meinen Wagen gerade noch rechtzeitig. Kaum dass ich die Autotür geschlossen hatte, verwandelte sich das rhythmische Klopfen auf dem Dach in ein dröhnendes Trommeln. Der Regen bildete dichte Wasserwände, die über den Parkplatz wehten und alles, was hinter der Windschutzscheibe lag, verschwimmen ließen. Ich stellte mir vor, wie jemand unter der Markise sagte: »Wow, die hat aber Schwein gehabt. Jetzt geht’s richtig los.«
    Bei dem Gedanken, dass mich diese anderen Leute beobachtet hatten, fiel mir ein Tag wie dieser vor ungefähr dreizehn Jahren ein. Ich war vierzehn und erst seit etwa einem Monat auf der Highschool. Nach dem Unterricht war ich länger geblieben, weil ich Nachhilfe in Geometrie bekam, wo ich bereits durchzufallen drohte. Als ich die Schule verließ, nieselte es bloß. Doch ich war gerade fünf Minuten gegangen und hatte noch den größten Teil der zwei Meilen Heimweg vor mir, als die Wolken aufbrachen und eimerweise Wasser auf mich hinabgossen. Es war die Sorte von Regen, bei der man praktisch nicht fahren konnte und in der herumzulaufen sich absurd anfühlte – als würde man gegen eine Wasserwand rennen. Nur konnte ich ja außer nach Hause nirgendwohin, also trottete ich weiter.
    Mein Rock klebte mir an den Beinen, und meine Stiefel machten bei jedem Schritt auf dem überfluteten Gehsteig ein quatschendes Geräusch. Ich trug mein Lieblings-Outfit, meine Mutter hatte es mir für die Schule gekauft: einen fließenden dunkelblauen Rock mit einem zarten kastanienbraunen und cremeweißen Blütenmuster und dazu passende kastanienbraune Socken, die aus den weichen braunen Stiefeletten hervorlugten. Die letzten Wochen jedoch hatte ich immer häufiger gedacht, dass die Stiefel irgendwie falsch waren. Sie waren vorne spitz und hatten eine flache Ballerina-Sohle. In der Schule hingegen trugen mehr und mehr Kinder schwere schwarze Stiefel mit runden Kappen und dicken Sohlen – Dr. Martens und so. Daneben sah ich mit meinen in Braun gehüllten Beinen und den spitzen Zehen wie ein trauriger Abklatsch eines Achtzigerjahre-Rockstars aus.
    Als ich knapp den halben Weg geschafft hatte, hielt ein schwarzer Kleinwagen neben mir. Ich versuchte, ihn zu ignorieren, denn ich sah so lachhaft durchnässt aus, dass ich einfach nur in Ruhe gelassen werden wollte.
    »Hey!«, rief eine junge männliche Stimme aus dem Wagen, der nun langsam wieder anfuhr, um mich einzuholen.
    Schließlich drehte ich mich doch um, sagte aber nichts. Wasser tropfte mir von der Nasenspitze und dem Kinn. Das Auto war schon voller Leute aus den Fußballteams der Jungen und Mädchen. Charlotte dürfte die Jüngste von allen gewesen sein. Sie hockte auf der Rückbank, am Seitenfenster zur Straße hin, und reckte den Hals, um mich zu sehen.
    »Hey, Nora!« Es war nett von ihr, dass sie nicht leugnete, mich zu kennen, obwohl wir in den letzten zwei Jahren nur noch selten miteinander gesprochen hatten.
    »Willst du nicht mitfahren?«, brüllte der Junge auf dem Fahrersitz.
    »Was?«, fragte ich und sah auf meine klatschnassen Sachen hinab. Im Wagen saßen sie dicht an dicht, und alle waren trocken. Wenn ich mich zwischen sie quetschen würde, hätte das den gleichen Effekt, als würde man einen nassen Schwamm auswringen.
    »Ob du MITFAHREN willst!«, schrie ein Mädchen hinter ihm, das anscheinend dachte, ich sei schwer von Begriff.
    Ich schüttelte den Kopf und ging weiter. »Nein danke«, antwortete ich so leise, dass sie mich wohl kaum hören konnten. Fast wäre ich stehen geblieben und hätte es wiederholt, aber ich wollte diese
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