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Rosenrot, rosentot

Rosenrot, rosentot

Titel: Rosenrot, rosentot
Autoren: Emily Arsenault
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oder? Und ein ganzer Monat allein an der Töpferscheibe in der Garage? Ob das wirklich gesund sei?
    Neil hatte mir zugestimmt. Und weil er sich mit diesen Ausführungen zufriedengab, beschloss ich, ihm nichts von Rose zu sagen – dass sie Charlottes und meine Babysitterin gewesen und eines Abends auf dem Heimweg von Charlotte verschwunden war, dass ich wahrscheinlich der letzte Mensch war, der sie lebend gesehen hatte.
    Auf der Fahrt die Interstate 95 hinauf überlegte ich, wieso ich Neil nie von Rose erzählt hatte. Der Grund musste sein, dass wir uns auf dem College kennengelernt hatten, wo ichimmer darum bemüht war, das Gegenteil von dem zu sein, was ich in Waverly gewesen war. Dass ich die Letzte war, die Rose Banks lebend gesehen hatte, war eines der wenigen Dinge, die mich in meiner Heimatstadt zu etwas Besonderem gemacht hatten, also wollte ich es natürlich vergessen. Und irgendwann hatte ich schlicht zu lange nichts davon erzählt, als dass ich es noch hätte nachholen können.
    Ich brauchte den ganzen Tag von D.C. ins nördliche Connecticut. Als ich auf die Interstate 84 abbog, hatte es sich bereits zugezogen, und als ich schließlich die Abfahrt nach Waverly nahm, regnete es. Die Strecke war beinah malerisch; bevor man an der Polizeistation und der Waverly-Grundschule vorbei in die Innenstadt gelangte, führte sie zwischen riesigen Anwesen hindurch, die früher einmal Farmen gewesen waren. Dass Waverly so beschaulich war, hatte den Ort in den Achtzigern attraktiv gemacht. Man hatte einige Siedlungen an den Rändern gebaut, die inzwischen nach klassischen Vororten aussahen. Zufällig zur selben Zeit, als ich fünf Jahre alt war, zog meine Mutter mit mir nach Waverly – und zwar nicht, weil sie eines der teuren neuen Häuser gelockt hätte; das hätte sie sich gar nicht leisten können. Vorher hatten wir in dem größeren grauen Fairville gewohnt, an das ich mich kaum erinnerte. Meine Mom hatte zusammen mit Charlottes Mom im Krankenhaus von Fairville gearbeitet. Und Charlottes Mom war es auch gewesen, die ihr den Tipp gegeben hatte, dass Mrs. Crowe eine Wohnung vermietete, oben in ihrem Zweifamilienhaus. Meine Mutter sprach oft davon, was wir für ein Glück gehabt hätten und wie nett es von Charlottes Mom gewesen sei, ein gutes Wort für uns einzulegen – und alles genau im richtigen Moment, sodass ich in den Kindergarten von Waverly kam, von woaus ich automatisch in die angeblich so viel besseren Schulen dort wechselte. Charlotte und ich fingen am selben Tag an. Ich weiß noch, dass ihre Mutter gerade rechtzeitig vom Nachtdienst zurück war, um Fotos zu machen, als wir in den Bus stiegen.
    Waverlys Hauptstraße hatte sich nicht sehr verändert, seit ich vor zehn Jahren das letzte Mal hier gewesen war. Alles war noch an derselben Stelle wie in meiner Erinnerung. Die Kirche St. Theresa – wo Charlotte und ihre Familie sonntags den Gottesdienst besuchten – sah nach wie vor klotzig groß und modern aus, zumal im Vergleich zur einen Block weiter gelegenen alten Congregational Church am Stadtpark. Wenige Häuser dahinter war die Bank. Soweit ich wusste, arbeitete Charlottes Vater immer noch dort; er hatte die vielen Namenswechsel überstanden, angefangen mit »Manchester Valley Savings« über »Fleet« zur »Bank of America«. Niemand in Waverly bekomme ohne das Okay von Mr. Hemsworth ein Darlehen, hatte meine Mutter mir einmal gesagt.
    Ich parkte an der Waverly Plaza, unserem über alles geschätzten Einkaufszentrum. Inzwischen gab es hier zwei Damenbekleidungsgeschäfte anstelle von einem – eines für kräftigere Frauen, eines für solche mit Normalgröße. »Stop & Shop«, wo ich früher Lebensmittel eingekauft hatte, hieß nun »Super Stop & Shop«, aus der »Mom and Pop«-Reinigung war ein »Subway« geworden, und der Spirituosenladen sah irgendwie weniger heruntergekommen aus als in meiner Kindheit. Er hatte auch ein neues Schild und einen neuen Namen. Aus »Stompy’s Liquor Locker« war »Waverly Wine and Spirits« geworden.
    Ich stieg aus dem Wagen und lief zu »Super Stop & Shop«, um eine Kleinigkeit für Charlotte zu besorgen. Ich suchteeinen Strauß Lilien aus und stand ein paar Minuten zögernd vor einer Brownies-Backmischung. In unserer gemeinsamen Kindheit hatten diese Brownies-Mischungen eine wichtige Rolle gespielt. Allerdings wirkte es sicher ein bisschen komisch, jemandem zur Begrüßung eine Backmischung zu überreichen – egal, was für eine Vorgeschichte man hatte. Also ließ
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