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50 Rituale für das Leben

Titel: 50 Rituale für das Leben
Autoren: Anselm Gruen
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ANSELM GRÜN
    50 Rituale
für das Leben
    © Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2008
    Alle Rechte vorbehalten
    www.herder.de

    Herstellung: Clausen & Bosse, Leck 2008

    Datenkonvertierung eBook: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

    ISBN (E-Book) 978-3-451-29843-1
    ISBN (Buch) 978-3-451-33322-4
EINLEITUNG
    S eit einigen Jahren ist ein neues Bedürfnis nach Ritualen erwacht. Dabei geht es nicht nur um die
     religiösen Rituale, die im Gottesdienst gemeinsam gefeiert und die heute oft auch bewusster gestaltet werden. Es geht immer häufiger auch um persönliche
     Rituale, die den Alltag prägen, und um Rituale, die das Leben in der Familie, in einem Unternehmen und in der Gesellschaft bestimmen. Bei
     Großveranstaltungen wie der Fußballweltmeisterschaft oder bei Olympischen Spielen werden gemeinsame Rituale praktiziert. Das Zuschauen bei einem Wettspiel
     bekommt dadurch eine eigene Qualität und ist weit mehr als ein bloß passives Dabeisein. Rituale bei Großveranstaltungen auch in der Musikwelt, in der
     Popkultur und in der Sportszene drücken das Bedürfnis der Menschen aus, diese Welt zu überschreiten und sie zu öffnen für eine oft unbestimmt erahnte und
     geglaubte Transzendenz. Es sind Formen einer verdeckten modernen Religiosität.
    In den letzten Jahren hat sich auch die Wissenschaft intensiver und unter neuen Aspekten mit dem Thema «Rituale» auseinandergesetzt. Psychologie,
     Soziologie, Theologie und Religionswissenschaft haben sich mit den Ritualen beschäftigt. Der Soziologe Karl Gabriel beschreibt sie in einer Definition,
     die alle diese wissenschaftlichen Zugänge umfasst, als «stilisierte, wiederholbare Handlungen an den typischen Übergängen und Brüchen des modernen
     Alltags».
    Es gibt die persönlichen und ganz individuellen Rituale: an den Übergängen von Tag und Nacht, von Tag zu Tag und von Jahr zu Jahr. Und es gibt die
     typischen Übergangsrituale, von denen die Religionswissenschaft spricht und die manin allen Kulturen kennt: bei der Geburt und beim Tod
     eines Menschen, beim Erwachsenwerden, in der Lebensmitte und im Übergang zum Alter.
    Ich möchte in diesem Buch nicht auf die wissenschaftliche Diskussion um die Rituale eingehen. Mir genügen einige Bilder, die das Wesen der Rituale
     beschreiben. Manche bringen die Wörter «Ritus» und «Ritual» auch mit dem griechischen Wort «arithmos» in Verbindung, das «Zahl» bedeutet. Ein Ritual ist
     dann das Abgezählte, Strukturgebende. Die altindische Wurzel «rtáh», mit der das Wort sprachgeschichtlich zusammenhängt, bedeutet: «angemessen,
     recht». Die Rituale vollziehen also etwas, was dem Menschen und seinem Lebensrhythmus angemessen ist, was recht und richtig für ihn ist. Doch besser als
     eine Definition zeigen uns Bilder oder einfach die Erfahrung beschreibende Zugänge das Wesen des Rituals.

    Rituale öffnen den Himmel über unserem Leben. Sie sind mehr als Alltagsgewohnheiten und mehr als bloßes eingespieltes
     Routineverhalten. Sie haben von ihrem Ursprung her immer eine religiöse Wurzel. Sie wollen den Himmel über unserem Leben öffnen. Sie zeigen, dass sich
     unser ganzes Leben im Angesicht Gottes vollzieht und dass unsere tiefste Sehnsucht dahin strebt, diese Welt zu übersteigen auf das Geheimnis Gottes
     hin. Rituale bringen mitten im Alltag den Himmel auf die Erde. Sie vermitteln uns Gottes heilende und liebende Nähe, die für uns Himmel bedeutet.

    Rituale schließen eine Tür und öffnen eine Tür. Dieses Bild gilt für die typischen Übergangsrituale: bei Geburt und Tod, bei
     Tag und Nacht, bei Arbeit und Freizeit. Wenn die Tür desTages am Abend nicht geschlossen wird, können wir uns auf die Nacht nicht
     angemessen einlassen. Der Tag wird die Nacht noch prägen und uns oft genug nicht richtig schlafen lassen, wenn wir ihn nicht bewusst beenden. Wir müssen
     die Tür zum Vergangenen schließen, damit wir ganz dort sein können, wo wir gerade sind. Nur wenn die Tür zum Alten geschlossen wird, öffnet sich ein
     Zugang für das Neue, eine Tür für den jetzigen Augenblick. Rituale befähigen uns also, ganz im Augenblick zu sein. Wer nie Türen schließt, der steht immer
     im Durchzug. Doch das tut seiner Seele und seinem Leib nicht gut. Unser Leben braucht geschlossene Räume, damit es sich entfaltet, damit Begegnung möglich
     wird und wir uns auf den jeweiligen Augenblick einlassen können.

    Rituale drücken Gefühle aus, die sonst nie ausgedrückt werden. Sie laden dazu ein, einem
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