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Rosenherz-berbKopie

Titel: Rosenherz-berbKopie
Autoren: Unbekannt
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dass ich da sein
werde. Aber verrat nicht, dass du mitkommst.»

    Lange
stand sie vor dem Schrank und überlegte, was sie anziehen
sollte. Schließlich lächelte sie und griff nach dem knielangen
gestreiften Sommerkleid, das Jean Seberg in der gesamten zweiten
Hälfte von Außer
Atem getragen
hatte. Karin Niebergall hatte ihren Schneider in den Film geschickt
und ihn gut dafür bezahlt, dass er ihr eine genaue Kopie dieses
Kleides anfertigte. Inzwischen war es ein wenig aus der Mode
gekommen, wirkte zwar immer noch adrett, aber mit seinem breiten,
hochgeschlossenen Kragen keineswegs verführerisch. Dennoch ahnte die
junge Frau, dass ihr genau deshalb die Aufmerksamkeit der
Geburtstagsgäste gewiss sein würde.
    Sie
hatte gelernt, das Interesse an ihrer Person immer aufs Neue zu
wecken, indem sie sich anders verhielt, als man erwartete. Sie
änderte ihr Aussehen durch neue Kleider, Hosen, Schuhe, Frisuren und
Perücken und scheinbar zugleich sich selbst - wie eine
Verwandlungskünstlerin, der es gelang, bei ihrem Publikum jedes Mal
die Illusion zu erzeugen, nicht ein neues Kostüm stehe vor ihm,
sondern ein neuer Mensch. Mal war sie die herrische Generalin, die
ganze Armeen von Männern mit einer fast unmerklichen Bewegung ihres
Kopfes zu willenlosen Marionetten machte, dann wieder konnte sie
ängstlich die Augen aufreißen und so hilflos an ihrem Zeigefinger
knabbern, dass nur der allergröbste Klotz in der Lage gewesen wäre,
ihr nicht schützend den Arm um die Schultern zu legen.
    Sie
erzählte Geschichten über ihre Herkunft, die sich vollständig
widersprachen und die sie doch, hielt man ihr die Ungereimtheiten
vor, immer miteinander zur Deckung zu bringen versuchte. Mal
entstammte sie einer Familie ostpreußischer Gutsbesitzer, dann
war sie ein entlaufenes Heimkind, das sich - halbnackt und barfuß
wie im Märchen vom Sterntaler - quer durch Europa auf die Suche
nach seinen Eltern begeben hatte. Ja, gewiss, ihr Vater sei ein
jüdischer Bariton gewesen, der es als Emigrant auf dem Broadway zu
Ruhm und Reichtum gebracht habe und der ihr bis heute monatlich einen
Brief mit hundert Dollar schicke. Wie er dann aber gleichzeitig ein
hoher Offizier der deutschen Wehrmacht gewesen sein könne, der mal
von griechischen Partisanen getötet worden, mal in einem sibirischen
Lager verschollen war? Ja also bitte, dann habe man ihr eben nicht
aufmerksam genug zugehört! Der eine sei ihr Vater, der zweite
ihr Ziehvater gewesen, den ihre Mutter nach Scheidung und Flucht des
ersten geheiratet ... Ob man dergleichen nie gehört habe? Kein
Widerspruch war zu groß, als dass sie ihn nicht lässig hätte
ausräumen, keine Lüge zu dreist, als dass sie sie nicht im Nu wie
die reine Wahrheit hätte aussehen lassen können. Sprach man sie
hingegen auf ebenjene Mutter an, wurde Karin Niebergall einsilbig und
wechselte rasch den Gegenstand des Gesprächs.
    Ob
all diese Geschichten auch nur einen Funken Wahrheit enthielten,
ob sie gänzlich frei erfunden oder aus den Illustrierten, die sie
wie eine Süchtige verschlang, zusammengeklaubt waren - niemand
wusste es, und kaum jemand schien es wissen zu wollen. Erst recht
nicht die Männer, die sie stets so zahlreich umgaben und die bei ihr
vieles suchten, zu allerletzt aber gewiss die Wahrheit. Und so war
bald unter den wechselnden Masken ein wahres Gesicht, wenn es denn je
ein solches gegeben hatte, nicht mehr auszumachen - am wenigsten wohl
für sie selbst.
    Und
wer sie irgendwann aus guten Gründen für ein verschlagenes
Luder hielt, dem konnte sie beim nächsten Zusammentreffen als
Inbegriff der Treuherzigkeit erscheinen, immerhin aber als eine
schuldlos Gefallene, die unausweichlich das Bedürfnis weckte,
ihr beizustehen und sie auf den rechten Weg zurückzuführen. Oder
wenn sich das - wie nicht anders zu erwarten - als aussichtslos
erwies, wenigstens von ihrer Verruchtheit zu naschen.

    Im
Treppenhaus öffnete sich die Tür der Wohnung, die sich unter ihrer
eigenen befand. Ein kleiner Junge streckte den Kopf heraus und sah
Karin Niebergall durch seine Brille erwartungsvoll an. Abrupt
hielt sie inne.
    «Mensch,
Timo», sagte sie, «hast du mich jetzt erschreckt.»
    Der
Junge lachte. «Gar nicht», sagte er. «Du tust nur so. Du tust
immer nur so.»
    «Heißt
das, dass ich lüge?», fragte sie mit gespielter Strenge.
    «Nee,
aber du flunkerst.»
    «Pass
nur auf, du kleiner Naseweis! Wenn du weiter so frech bist, werde ich
mit deiner Mutter sprechen müssen.» «Die
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