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Rosenherz-berbKopie

Titel: Rosenherz-berbKopie
Autoren: Unbekannt
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Schaufenstern im vollen Sonnenlicht liegen sah, war
es, als würde sie zugleich einen Blick in ihre Zukunft werfen.
Unwillkürlich musste sie lächeln bei der Vorstellung, vielleicht
selbst bald zu jenen Frauen dort unten zu gehören, die am Arm ihrer
Ehemänner durch die Stadt schlenderten, ihre Kinder von der Schule
abholten, um gemeinsam in den Zoo zu gehen, hinterher Eis zu essen
und den Abend vor dem Fernseher zu verbringen. Vielleicht würde sie,
wie schon öfter geplant, ein kleines Geschäft eröffnen, eine
Modeboutique, einen Schreibwarenladen oder einen Schönheitssalon.
Sie würde sich zeitig schlafen legen, zweimal im Jahr Urlaub machen,
ein paar Pfund zunehmen und nur mit dem Mann ins Bett gehen, den sie
liebte. Die Vorstellung kam ihr verlockend vor. Verlockend und
zugleich ein wenig fad.
    Sie
schaute sich um. Auf dem kleinen Rauchtisch zwischen den beiden
Sesseln standen die Gläser, die sie in der Nacht benutzt hatten.
Ihres erkannte sie an den Lippenstiftspuren. Die halbvolle
Whiskey-Flasche stand offen daneben. Den Aschenbecher hatte sie noch
geleert, aber nicht mehr ausgewischt. Auf dem Boden lagen ihr
Slip und die Würste der aufgerollten Perlonstrümpfe. Die rote
Perücke hatte sie, kurz bevor ihr die Augen zufielen, neben das Bett
auf den Boden gleiten lassen. Sie seufzte. All dies erweckte den
Eindruck von Trostlosigkeit.
    Sie
kam am Flurspiegel vorüber und blieb stehen. Noch immer nackt, blies
sie die Wangen auf, streckte den Bauch nach vorne, schnitt eine
Grimasse und zeigte ihrem Spiegelbild die Zunge.
    Doch,
dachte sie noch einmal, mein Leben muss sich ändern. Aber schon
wenig später, als sie geduscht, sich gekämmt und im Café Kranzler angerufen
hatte, um ein Frühstück zu bestellen, auf das sie nun wartete,
hatte sie den Vorsatz bereits wieder vergessen. Um sich die Zeit zu
verkürzen, nahm sie eine der kleinen Sektflaschen aus dem
Kühlschrank, goss sich ein Glas ein, leerte es in einem Zug und
füllte es sogleich aufs Neue. Im Radio spielten Ernst Mosch und sein
Orchester die Ambosspolka. Sie
drehte den Ton leiser.
    Als
es klingelte, drückte sie den Offner, ließ die Wohnungstür
angelehnt und ging zurück in die Küche, um Kaffee aufzubrühen.
Aus dem Treppenhaus hörte sie Schritte, die sich näherten.
    «Leg
die Sachen vor die Tür», rief sie, «ich zahle morgen.»
    «Ich
habe etwas für Sie», antwortete die Stimme eines jungen Mannes.
    Sie
huschte ins Schlafzimmer, zog sich den Kimono über und ging zur Tür.
    Der
Bote des Kranzler, der
ihr zwei-, dreimal in der Woche gegen Mittag das Frühstück brachte,
streckte ihr beide Hände entgegen. In der einen hielt er die
Tüte mit den belegten Brötchen, in der anderen einen blauen
Briefumschlag.
    Karin
Niebergall sah den Jungen an. Er trug eine Uniform und hatte rosige
Wangen. Unter der Mütze sah man sein krauses rotblondes Haar.
    «Danke»,
sagte sie. «Ich zahle morgen.» Und als der Junge keine
Anstalten machte zu gehen: «Sonst noch was?»
    Er
schaute zu Boden. «Ich soll Ihnen den Brief geben. Ein Mann steht
unten und wartet. Ich soll ihm sagen, ob Sie kommen.»
    «Ob
ich komme? Ob ich wohin komme?
Und warum kommt dieser Mann nicht selbst hoch, wenn er etwas von mir
will?»
    Der
Junge zuckte mit den Schultern.
    Karin
Niebergall seufzte, riss den Umschlag auf und sah als Erstes den
Hundertmarkschein. Dann zog sie die bedruckte Karte hervor und las: Philipp
Lichtenberg würde sich freuen, Sie am August 1966 um 16 Uhr auf seiner Geburtstagsparty im Haus seiner Eltern begrüßen zu
dürfen. Um Antwort wird gebeten.
    Sie
schüttelte den Kopf. «Aber das ist ja heute. Unmöglich! Sag
dem Mann, so kurzfristig kann ich keine Termine annehmen.»
    Der
Junge sah sie unschlüssig an, dann nickte er. Er hatte sich bereits
abgewandt, um zu gehen, als sie ihn wieder zurückrief. «Nein,
warte! Hast du heute Nachmittag schon was vor?»
    «Wer?
Ich?»
    «Sonst
noch jemand hier?» «Bis drei muss ich arbeiten ...»
    «Willst
du mich begleiten? Hast du Lust, mit mir auf eine Party in
Sachsenhausen zu gehen?»
    Die
Wangen des Jungen glühten. Er suchte die Antwort zwischen seinen
Füßen.
    Karin
Niebergall legte ihm eine Hand auf den Oberarm und zwang ihn, sie
anzuschauen. «Sag mal, du hast ja richtig Muskeln ... Wie heißt
du?»
    «Hartmut.»
    «Gut,
Hartmut. Sei um vier Uhr hier, ja? Hast du schon deinen
Führerschein?»
    Der
Junge schüttelte den Kopf. «Aber ich kann fahren.»
    «Gut.
Also dann ... bis vier. Abgemacht? Und sag dem Mann,
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