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Rosen für Apoll

Rosen für Apoll

Titel: Rosen für Apoll
Autoren: Joachim Fernau
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Reihe, fast unerkannt; die Reiterei befehligte ein kaum dem Knabenalter entwachsener Jüngling: Alexander.
    Die Schlacht war taktisch ein Meisterstück Philipps. Sie enthüllte die ganze Disziplinlosigkeit der Athener. Wie ein Turm in der Brandung standen nur die Thebaner, an ihrer Spitze die »Heilige Schar«, jene schon fast legendär gewordene Garde von 150 »Liebespaaren«, die sich seit der Gründung der Heiligen Schar aus den Reihen der Patriziersöhne immer wieder erneuerten. Als Philipp nach dem Siege das Schlachtfeld abschritt, fand er sie alle dreihundert nebeneinanderliegend mit der tödlichen Wunde in der Brust. Es wird berichtet, daß der König bei diesem Anblick weinte.
    Die Schlacht von Chaironeia entschied das Schicksal Griechenlands. Hellas gehörte dem »Barbaren«.
    König Philipp zog zum Peloponnes. Alle beugten das Knie. Alle, bis auf einen: Sparta. Und siehe da: Es schlug kein Blitz ein, kein Erdbeben verschlang die Stadt. Philipp — und das ist einer der seltsamsten Züge an ihm — beachtete Sparta gar nicht. Der Bär ließ den alten, kranken, knurrenden Löwen vor seiner Höhle liegen.
    Makedonische Krieger überzogen das ganze Land.
    Im Winter 338 diktierte der König in Korinth, wo alle außer Sparta erschienen waren, den Frieden. Er war milde und frei von Haß.

    Die Griechen atmeten tief auf. So also sah das aus, was man in der Geschichte »das Ende« nennt?
    War es so schlimm?
    Was sind Polis? Freiheit? Mythos?
    Ideen, Worte. Oder?
    Was fehlte? Wo sah man eine Spur des Blitzschlags? Wo einen Riß im Hause, in den man die Hand legen und sagen konnte: hier?
    Sollten die Frauen etwa zum Protest nicht mehr gebären? Wird von den Müttern für das Leben geboren oder für Ideen?
    Waren hundert Schritte auf dem Kerameikos jetzt nicht mehr hundert Schritte, ein Lachen neuerdings nicht mehr ein Lachen, eine Handvoll Feigen nicht mehr eine Handvoll Feigen?
    Was war die Freiheit, die wir früher einmal meinten? Nun? Ehrlich. Zwei Hände voll Feigen.
    »Vernünftig« muß man denken!
    Mit so friedlichen und ziemlich unglaubwürdigen Gedanken machten sich die Griechen wieder »an die Arbeit«. Wie in alten Zeiten bestand sie hauptsächlich darin, nichts zu tun. Philipp aber wußte, da er Erfahrung im Siegen hatte, daß Besiegte solche Gedanken 1945 haben, i960 aber schon wieder ganz andere. Und er beschloß, sie vor dummen zu bewahren, indem er ihnen eine Fata Morgana zur Ablenkung gab: Auf einer panhellenischen Versammlung in Korinth verkündete er in feierlicher Rede, daß er den Krieg gegen die Perser, als Vergeltung Griechenlands für Dareios und Xerxes, beschlossen habe.
    Er befahl, sich fertigzumachen. Diesmal freilich als Söldner.



Allerdings gibt es viele Menschen, die die griechische Geschichte noch bis in die Römerzeit zu verfolgen lieben. Richtiger aber ist wohl die Anschauung, daß Biographien, auch von Staaten, spätestens mit dem Ableben ebenderselben beendet sein sollten. Alexander der Große möge daher das rauschende, leider nicht berauschende Finale bilden. Dann fällt der Vorhang, und wir können zur Garderobe und zu unseren Autos stürzen.

Im Sommer 336, bei der Hochzeitsfeier seiner Tochter, wurde Philipp von Makedonien ermordet.
    Der Mann, der dem König den Dolch ins Herz stieß, ist bekannt. Irgendein beleidigter Offizier der Leibwache. Nicht bekannt ist, wer diese Hand benutzt und geführt hat. Aber alles deutet darauf hin, daß die Anstifterin die Königin war, jene unbändige Molosserin, die er ein Jahr zuvor durch seine siebente legitime Ehe tödlich gekränkt hatte. Auch das Gerücht, daß sein Sohn Alexander von dem Anschlag gewußt habe, ist nie verstummt.
    Philipp, der »Karl der Große« der griechischen Welt, war tot. In seinem Nachfolger schien die Geschichte einen Sprung über Jahrhunderte machen zu wollen; es war, als sei auf den Karolinger sofort und ohne Übergang der sizilianische Friedrich, der »Wandler der Welt«, gefolgt.
    Philipp war ein Mensch aus Fleisch und Blut gewesen; nicht eine Empfindung, nicht ein Gedanke, nicht eine Wallung, die er nicht mit allen Menschen geteilt hätte. Alles hatte er mit eigenen Händen, seinen groben, barbarischen Händen, geschaffen. Er war schwer und langsam durchs Leben gegangen; wo er den Fuß hinsetzte, war Makedonien; wo nicht Makedonien war, fror er. Die griechische Welt, der griechische Geist war für ihn ein Schauspiel, wie man es an festlichen Tagen genoß; eine geliebte Hetäre. Wenn man von ihr
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