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Rosen für Apoll

Rosen für Apoll

Titel: Rosen für Apoll
Autoren: Joachim Fernau
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wie am Hyde Park Corner in London am Sonnabendnachmittag. Auf der einen Kiste stand Isokrates, berühmter Philosoph, Staatsmann und Redner, und sprach für eine vorbehaltslose Verständigung mit Philipp. Auf der anderen rechte sich die riesige, lange Gestalt Demosthenes’ auf, wie sie uns in der schönen Statue in Kopenhagen überliefert ist, und hielt die soundsovielte flammende »Philippika« gegen den barbarischen Eroberer, den Usurpator, den Vernichter des Griechentums, die Inkarnation des Xerxes. Und die Köpfe der Athener drehten sich wie in Wimbledon von der einen Seite zur anderen.
    Isokrates, damals schon ein alter, weißhaariger, dünnstimmiger Herr, besaß Weltruhm; aber bald zeigte sich, daß Demosthenes der weitaus bessere, der geradezu hinreißende Redner war.
    Wer aber, meine Freunde, die wir auf dem Marktplatz von Athen stehen und den beiden zuhören, wer ist der Tor? Demosthenes beschwor die Vergangenheit, Isokrates die Zukunft. Nun?
    Die Athener entschieden sich für Demosthenes. Wir besitzen seine Reden; sie sind herrlich, aber sie strotzen von Kurzsichtigkeit und vor allem von Lügen. Er log wie Perikles — formvollendet.
    Philipp hörte sich die Reden durch den Mund seiner Berichterstatter ziemlich ruhig an. Es war ihm lieb zu wissen, woran er war.
    Im Sommer 343 schloß er ein Bündnis und einen Nichtangriffspakt mit Persien, wo der junge Artaxerxes III. seinen uralten Vater abgelöst hatte. Es schien eine diploma tische Geste, ein Hintertreppchen — wer rechnete noch mit Persien? Aber der neue Großkönig belehrte die Welt eines anderen. Im Winter 343/42 eroberte er sich Ägypten zurück, und Persien war mit einem Schlage wieder eine Großmacht. Der Pakt mit Philipp erhielt plötzlich riesengroße Bedeutung. Demosthenes war außer sich vor Zorn. Er hatte lange genug und rechtzeitig genug ein Bündnis mit den Persern empfohlen! Er machte sich auf eine Rundreise und rief jetzt ganz offen zum vaterländischen Krieg auf. In Sparta erhielt er die Antwort, man wäre vor kurzem noch dazu imstande gewesen, befände sich aber jetzt in der Lage, die Athen sich immer für Sparta gewünscht habe; sicherlich seien die Demokratien fähig, nunmehr den Schutz Griechenlands zu übernehmen.
    Philipp wünschte die Situation zu klären. Er tippte einmal kurz an den Nerv Athens (indem er die gesamte Getreideflottille am Bosporus beschlagnahmen ließ), und prompt kochte die Volksseele über. Man stürzte die Friedensstele um, zertrümmerte sie und war bereit, Philipp in der Luft zu zerreißen. Eine Delegation eilte zum nachbarlichen Theben, überzeugt, daß sich alle Welt in ähnlichem heiligem Zorne befände.
    Das war ein Irrtum — einer der vielen Irrtümer von Demosthenes. Als die Athener die Gretchenfrage stellten, griffen die Thebaner nüchtern zu einer Liste, die sie bereits parat hatten. Sie waren bereit, gegen Philipp mitzumachen; ihre Forderungen aber verschlugen den Athenern den Atem: ganz Böotien unter Thebens Herrschaft, Auslieferung Platääs, alleiniger Oberbefehl zu Lande, Gleichberechtigung zur See (bei ihren zehn Schiffen!), Teilung der Kriegskosten in zwei Drittel für Athen, ein Drittel für Theben.
    Bankrotteure schreiben immer quer; auch Athen sagte ja. Ehe der Hahn einmal krähte, hatte es seinen Freund aus zweihundert Jahren, seinen treuesten, seinen letzten Freund, Platää, verraten.
    Im Herbst 339 setzte sich das makedonische Heer gegen Griechenland in Bewegung. Formell hatte Philipp sich das Recht dazu besorgt: Er ließ sich von Delphi rufen. Es war November; niemand in Athen und Theben glaubte, daß er bei Einbruch des Winters kommen würde. Man verbarrikadierte die Thermopylen und legte sich dahinter schlafen.
    Das Erwachen war peinlich. Die Makedonen waren schnurgerade über die Gebirgspässe gekommen und standen schon mitten in Phokis.
    Alles stürzte von den Thermopylen weg nach dem aufs höchste gefährdeten Theben. Aber Philipp nahm sich viel Zeit; es passierte zunächst gar nichts. Er gewann ein paar kleinere Gefechte und organisierte das Land durch, als sei tiefster Friede. Es wurde Frühling und Sommer.
    Endlich kam Bewegung in die Makedonen; sie rückten in Richtung Theben vor. Im August 338 prallten die beiden Heere bei Chaironeia aufeinander, dreißigtausend auf seiten Athens, dreißigtausend auf seiten des Königs. Die Ebene dröhnte von dem Lärm der Schlacht, dem Rufen, Trompeten, Stampfen, Waffenklirren, von dem Wiehern der Pferde. Der König stand in der ersten
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