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Rosen für Apoll

Rosen für Apoll

Titel: Rosen für Apoll
Autoren: Joachim Fernau
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zurückkehrte, sang das Blut; aber immer kehrte man zurück. Philipp war tot.
    Ein Jüngling von zwanzig Jahren bestieg den Thron, auf der Stirn den Stempel des Frühvollendeten, ein geheimnisvoller, phantastischer Geist, eine orgastische Laune der Götter, ein Vexierbild. Sobald der goldene Königsreif das Haupt dieser Lemure, dieses Jünglings berührte, entfesselten die Götter die Dämonen seines Blutes und ließen ihn die Throne der Welt stürmen und die Erde durchrasen. Als er starb — früh, wie es der Gewalt und Furchtbarkeit seines Auftretens entsprach — , sprengte sein Tod das alte Jahrtausend mit in die Luft.
    Kein Mensch der griechischen Geschichte hat je die Nachwelt so betört wie er, aber auch bei keinem schwankt das Charakterbild so wie bei ihm.
    Für seine Zeitgenossen war er ein Titan (in der alten Bedeutung, siehe Lexikon); für die späteren Jahrhunderte ein Gott; für das frühe Abendland ein lichter Baldur; für die Klassizi-sten ein Genie.
    War er es?
    Die Stoiker nannten ihn ein Produkt des Glücks, des Zufalls; die Kyniker einen Feuergeist. Alexanders Generaladjutant Ptolemaios, der aus dem »Nachlaß« die Krone und Herrschaft von Ägypten erbte, hat ihn in seiner Historie einen königlichen Menschen, den Inbegriff von Wahrhaftigkeit und Adel genannt. Die Briefe Alexanders selbst zeigen ihn als universellen Geist, aber die Echtheit der Papyri ist mehr als zweifelhaft. Aus der römischen Kaiserzeit gibt es die Stimme des Historikers Curtius Rufus, die böse über Alexander spricht. Plutarchs Alexanderdarstellung ist stark skeptisch.
    In der neueren Forschung hat Niebuhr ihn einen »Komödianten und Räuber großen Stiles« genannt. Droysen dagegen verherrlicht ihn. Beioch fällte das Urteil: »Er war weder ein großer Feldherr noch ein großer Staatsmann, noch ein großer Charakter.« Als letzter hat sich Schachermeyr unter dem Eindruck der Jahre 1933 bis 1948 mit dem »Ingenium« Alexanders scharf auseinandergesetzt.
    Wie war Alexander wirklich?
    Er wurde 356 geboren und wuchs zunächst zwischen seinen Gespielen auf, ein hübsches, temperamentvoll-renitentes, aber auch wiederum biegsames, weiches Kind, eines von vielen Kindern Philipps; von der Mutter jedoch wie das einzige Junge eines Adlerhorstes bewacht. Als er ein Pais, als er dreizehn Jahre alt geworden war, rief Philipp Aristoteles, den Sohn seines Leibarztes, als Lehrmeister und Erzieher des Knaben an den Hof.
    Philipp schickte beide auf seinen Landsitz, vierzig Kilometer von dem unruhigen, lärmenden Pella entfernt am Fuß der Berge. Zu dieser Zeit war Philipp bereits Herr von Thessalien, hatte Onomarchos »auf dem Krokosfelde« geschlagen und einmal kurz die Thermopylen inspiziert, er besaß schon Thrakien und hatte das Bündnis mit den Persern geschlossen. Was also an seinem Hofe geschah, verfolgte die ganze Griechenwelt, und daß er soeben den Platonschüler Aristoteles zum Lehrer seines Sohnes berufen hatte, bildete das Gesprächsthema aller, die sich zu den kultivierten Kreisen zählten. Alexander würde also ein Grieche werden.
    Das dachte auch Aristoteles, und es gibt aus späterer Zeit viele rührende Bilder, auf denen der Philosoph mit dem Knaben, Arm um die Schulter gelegt, im Gespräch versunken durch die Gärten und Hallen geht; der eine von väterlichem Ernst beseelt, der andere mit leuchtenden Augen zu ihm aufschauend.
    Aristoteles lehrte ihn griechische Logik, griechische Ethik, griechische Geschichte, griechische Mythologie, griechische Literatur, griechische Naturwissenschaften — jedoch ein Grieche wurde Alexander nicht. Er lernte den griechischen Geist perfekt; aber wie eine Fremdsprache. Geträumt hat er makedo-nisch-illyrisch-molossisch. Sofern er geträumt hat. Ein schwer zu durchschauender Junge.
    Nach drei Jahren dankte man Aristoteles, belohnte, ehrte und verabsdiiedete ihn. Er ging nach Athen zurück, nach dem er sich zu sehnen begann, und nahm sein Lebenswerk in Angriff. Alexander trat in den Militärdienst. Mit achtzehn Jahren machte er als Befehlshaber der Reiterei die Schlacht von Chaironeia mit. Er zeigte sich — denn er berauschte sich leicht — blind gegen Gefahr und Tod.
    Das gefiel dem Vater.
    Aber der Vater gefiel dem Sohn weit weniger, als er ahnte. Bei der erwähnten verhängnisvollen neuen Heirat Philipps kam es zu einem dramatischen Auftritt auch zwischen dem König und dem Prinzen. Fast war es eine offene Empörung, denn Alexander sagte sich los und verließ mit seiner Mutter Makedonien.
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