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Rosen für Apoll

Rosen für Apoll

Titel: Rosen für Apoll
Autoren: Joachim Fernau
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führte der Schwertadel vor dem König auch die schöne Bezeichnung Hetairoi, »Gefährten«. An Frauen liebte man den kolossalen, den gewaltigen Menschenschlag, man holte sie sich gern aus dem Dodonaland, wo auch die kapitalen Molosserhunde herkamen, oder aus dem barbarischen Thrakien. Auch Philipps vierte Gemahlin war eine Molosserprinzessin, eine wilde, stolze, düstere Köhlerschönheit. Sie wurde die Mutter Alexanders des Großen.
    Und so weiter, und so weiter. Sie dürfen sich nicht wundern, daß ich abbreche; denn Sie sollen nicht dieses Bild, Sie sollen das Bild des sterbenden Griechenlands vor Augen behalten. Ich weiß, es ist sehr angenehm, beim Lesen mit dem Herzen von einem Boot in das andere, in das mit den vollen Segeln, umzusteigen. Man ist so gern bei den Siegern. Wie im Leben. Aber wir waren 310 Seiten lang Griechen und wollen es für die restlichen 20 bleiben.
    Als Philipp zum Schlage ausholte, gehörte ihm bereits seit langem Thrakien mit seinen Goldminen und Kornfeldern, und seit kurzem Thessalien mit seinem unermeßlichen Pferdereichtum. Die Thessaler hatten fast keinen Widerstand geleistet, ihnen gefiel dieses Königtum Makedonien; sie waren überzeugt, diesen Leuten ganz ähnlich zu sein, und sie waren es auch. Daher änderte sich bei ihnen so gut wie nichts. Auch sie waren immer Hetairoi, Gefährten, gewesen.
    Der Mann, der sich angesichts des Verlustes Thessaliens endlich gegen Philipp aufraffte, war ein Außenseiter, ein im Programmheft gar nicht vorgesehener Mann namens Onomar-chos. Ein Phoker; erklärlicherweise, denn von Thessalien und Phtiotis nach Phokis war es nur noch ein Katzensprung. Die Armee, die dieser Mann auf die Beine stellte, hatte mit den alten griechischen Heeren keine Ähnlichkeit mehr: hergelaufene, entwurzelte Söldner, bezahlt von dem Golde, das Ono-marchos aus den delphischen Tempeln geraubt hatte. Onomarchos rückte 352 in Thessalien ein und stieß »auf dem Krokosfelde« (der Ort ist ungewiß) auf Philipp. Die Makedonier, verstärkt durch die vorzügliche jugendfrische Reiterei der Thessaler, schlugen den phokischen Kondottiere vernichtend. So groß war die Erbitterung Philipps, des Barbaren, über den Tempelschänder, daß er dreitausend Gefangene von den Klippen ins Meer stürzen ließ.
    Jetzt begann Athen zu flattern. Alles rannte zu den Thermo-pylen in der vagen Vorstellung, ein neuer Xerxes stünde davor. Aber Philipp hustete nur einmal über die Mauer und kehrte nach Makedonien zurück. Er baute in aller Ruhe eine Flotte und schnitt Athen von seinen Versorgungsquellen ab. Und in feinster Bauernschläue bot er gleichzeitig Frieden an.

    Frieden, Schweinswürstel, Thunfisch — die Athener griffen sofort zu. Der Friedensdelegation, die nach Pella ging, gehörte auch ein Mann an, ein Advokat, der von nun an der erbittertste Feind Philipps werden und in die Weltgeschichte als der größte Redner der Antike eingehen sollte: Demosthenes.
    Philipp gab sich reizend; so, wie Karl der Große reizend sein konnte. Das athenische Volk war recht zufrieden, die Schweinswürstel und Thunfische segelten wieder in den Piräus ein. Allerdings, allerdings...
    Nicht mehr alle konnten sie sich leisten. Langsam sank die Masse zum Lumpenproletariat herab.
    Auch in Phokis war das Gold von Delphi zu Ende gegangen. Die Soldateska löste sich auf, und die wackeren Krieger traf das härteste Los, das einen Berufssoldaten treffen kann: Sie mußten sich Arbeit suchen. Sie überfluteten nun Phokis als Stellungslose und schnupperten nach Drachmen.
    Als Philipp, durch seine Vertrauensleute auf das beste informiert, im Jahre 346 abermals bei den Thermopylen erschien, blühten Butterblümchen und Vergißmeinnicht auf den verfallenen Barrikaden. Die Athener zitterten einige Stunden lang, beruhigten sich aber, als das Heer hinter dem Engpaß rechts abbog. Philipp marschierte nach Delphi, um Apoll aus der Hand der räuberischen Phoker zu befreien. Ungehindert und ohne Schwertstreich zog der König in die Stadt ein. Die Priester jubelten dem ordnungsliebenden Manne zu, dem Retter des Geschäfts, der nicht nur reich und mächtig, sondern anscheinend auch noch gläubig war.
    Ja, das war er. Er war gut gläubig. Aber gutgläubig war er nicht. Er hinterließ der braven Pythia nicht nur schöne Geschenke, sondern auch eine schöne Garnison.
    Makedoniens Grenze lag nun mitten im Herzen Griechenlands, wenige Kilometer von den Toren, den blinden Toren Thebens und Athens entfernt.
    In Athen ging es jetzt zu
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