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Rosen für Apoll

Rosen für Apoll

Titel: Rosen für Apoll
Autoren: Joachim Fernau
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den Welten.

    Die der schaffende Geist einst aus dem Chaos schlug,
    Durch die schwebende Welt flieg’ ich des Windes Flug,
    Bis am Strande
    Ihrer Woge ich lande,
    Anker werf’, wo kein Hauch mehr weht
    Und der Markstein der Schöpfung steht.

    Anzufeuern den Flug weiter zum Reich des Nichts,
    Steur ich mutiger fort, nehme den Flug des Lichts,
    Neblicht trüber
    Himmel an mir vorüber,
    Weltsysteme, Fluten im Bach,
    Strudeln dem Sonnenwanderer nach.

    Steh! du segelst umsonst — vor dir Unendlichkeit!
    Steh! du segelst umsonst — Pilger, auch hinter mir! —
    Senke nieder,
    Adlergedanke, dein Gefieder!
    Kühne Seglerin, Phantasie,
    Wirf ein mutloses Anker hie!

    Alexander tritt den Rückmarsch an.
    Rückmarsch? Ein Heimatloser hat kein Vor und kein Zurück. Weiter, weiter, weiter! An den Küsten entlang, durch den tropischen Sommer, in das Land hinein, durch die Gedro-sische Wüste. Westwärts, westwärts. Der untergehenden Sonne nach. Nicht zurückschauen. Den Weg säumen Verdurstete, Verhungerte; neunzigtausend Tote. Nicht umsehen. Damals in Tyros waren es dreißigtausend, in Gaza zwanzigtausend. Und hunderttausend wanderten in die Sklaverei. Nicht daran denken. Alexander marschiert wie der geringste seiner Soldaten. Die Todgeweihten stieren dem Davonschreitenden nach; er hat es leicht, er ist unsterblich.
    Nach zwei Monaten ist Persien erreicht. Klein ist die Welt. Wie klein gegen einen Gott! Feiert! Alexander ist da!
    Feiert das größte Fest der Welt, das Verschmelzungsfest aller Völker!
    Alexander läßt sich endlich zu den Sterblichen nieder, er krönt das Fest, indem er drei irdische Frauen nimmt. Achtzig Generäle und zehntausend makedonische Soldaten folgen dem Beispiel, ein aphroditisches Meer für die Liebesbarke des Gottkönigs.
    Und nun, Gottkönig, ist es genug. Apoll nimmt einen schwarzen Pfeil aus dem Köcher und legt den Bogen an.
    In Babylon erkrankt Alexander. Fieber wirft ihn nieder. Ihm, dem hundert Völker gehorchen, gehorcht die eigene Hand nicht mehr.
    Krank. Müde. Plötzlich müde.
    Das Heer gerät in Ekstase, die Veteranen umlagern den Palast. Immer schlimmere Nachrichten. Dann gar keine mehr. Die Soldaten brechen mit Gewalt in das Haus ein.
    Sie finden ihren König im Sterben. Er sieht noch den langen Zug, der schweigend an seinem Lager vorbeidefiliert, er grüßt sie alle noch einmal, er hebt die Hand...
    Am Abend des 13. Juni 323 ist Alexander der Große tot.
    »Die Gestalt des jugendlichen Königs, der in der Blüte seines Lebens dahinging, hat immer aufs neue die Phantasie der Menschen beflügelt.«
    Das ist wahr. Und ich will Ihnen den Grund sagen: Es erklärt sich aus unserer untergründigen Lust am Verführtwer-den und aus der Sehnsucht der Menschen, sich mit der Unbesiegbarkeit und Unverwundbarkeit, sei es auch der des Mephisto, zu verbinden. Hier, vor dieser Gestalt der Weltgeschichte, scheiden sich die ewig Käuflichen von den ewig Wahrhaftigen, die Söldner von den Herren.

    *

    Beim Tode Alexanders war nichts geregelt. Das monströse Reich, wie ein bis zum Platzen mit Knallgas geblähter Ballon, verharrte noch eine Weile regungslos, während sich die »Diadochen«, die Generäle, über die Landkarte beugten und mit der Schere den ganzen Ramsch unter sich zu teilen versuchten — dann explodierte es, und mit ihm zerbarst das Jahrtausend der Griechen. Über Hellas kam das Schicksal von Tafelsilber und alten Hunden. Es wurde irgendwo an irgendwen »vererbt«.
    Ein Museum, in dem es nur nächtens im Gebälk noch aufrührerisch geisterte, so lebte es in die neue Zeit hinein. Als Paulus in Korinth predigte, zogen die kleinen Hetären wie einst zum Aphroditetempel von Akrokorinth hinauf, aber niemand wußte mehr, warum; und als der römische Kaiser Hadrian durch Sparta ging, sah er immer noch die fünf Ephoren im Prytaneion sitzen und auf die Wiederkehr ihres Königs Leonidas warten.
    Noch standen die Säulen, und noch lebten die Gedanken. Aber es kamen neue Jahrhunderte, »bessere«, die stürzten auch die Säulen wie die Gedanken um und bauten aus ihnen Tempel für neue Götter, »bessere«.
    Heute, nach zweitausend Jahren, halten wir nur noch Scherben in der Hand. Auf jeder steht unsichtbar das Wort Pindars: Von einem Schatten der Traum ist der Mensch. Radioantennen ragen zur Akropolis hinauf, Autos knirschen über den Schutt von Sparta. Das Lachen der Götter ist verstummt, die Syrinx des großen Pan verklungen; die Spiele der bösen Buben sind vorbei, die erhobenen Hände
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