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Rosen für Apoll

Rosen für Apoll

Titel: Rosen für Apoll
Autoren: Joachim Fernau
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Philipp, wie alle Haustyrannen weich gegen seinen Sohn, flötete so lange, bis Alexander wieder da war. Anstatt ihn nun, gleich dem preußischen Soldatenkönig, nach »Küstrin« schaffen zu lassen, kapitulierte er vor ihm. Er besiegelte damit sein Schidtsal. Ob der Jüngling Alexander, der »Inbegriff von Wahrhaftigkeit und Adel«, an der ungeheuerlichen Blutschuld seiner Mutter teilgehabt hat — das beurteilen Sie bitte selbst.
    Sobald Philipp tot war, ließ Alexander den rechtmäßigen Thronerben Amyntas hinrichten, seine sämtlichen Stiefbrüder mit Ausnahme des schwachsinnigen Archidaios ermorden, die siebente Gemahlin des Vaters zum Selbstmord zwingen, das Kind, das sie eben geboren hatte, töten und ihren Oheim Attalos köpfen. So, das war getan — er war gesichert. Er strich sich die goldenen Lodsen zurück, lächelte und betrat die Bühne, die größte und begehrteste Bühne der Menschheit: die Weltgeschichte.
    Nun ist er also da, der Legendäre, der von Jahrtausenden Verherrlichte, der »Unbegreifliche«, die letzte große Gestalt unserer griechischen Geschichte, der Ausklang, das Ende. Griechenland beeilte sich, seinem neuen Herrn zu huldigen. Der Jüngling im Purpurmantel tat zunächst nichts Ungewöhnliches, nichts Gigantisches (wenn man von den Morden absieht), nichts Olympisches. Er ermahnte lediglich seine Untertanen zu Gehorsam und Treue. Ein freundlicher junger Mann. Ein lieber junger Herr. Ein bißchen geistesabwesend sogar, mit seinen Gedanken wer weiß wo?
    Im nächsten Frühjahr hieß es, er sei an der Donau! Donau — das war für die Griechen fast der Nordpol. Was ihn dahin trieb, war angeblich die Sicherung der Nordgrenze, aber schon Arrianus sagt, es sei in Wahrheit ό πόϑος (Pothos), die »unbestimmte Sehnsucht«, gewesen.
    Auf dem Rückmarsch, in Illyrien, erreichte ihn die Nachricht vom offenen Aufstand Thebens. Auch Athen stand kurz vor dem Losschlagen; die Griechen befanden sich in Hochstimmung, der Grund war eine Falschmeldung: Alexander sollte gefallen sein. Zu dieser Zeit kletterte der Totgesagte mit seinem Heer bereits über die Gebirge; nach einem sagenhaften Gewaltmarsch von dreizehn Tagen für fünfhundert Kilometer stand er zum Entsetzen der Thebaner eines Morgens vor ihren Toren. Ihr Traum war ausgeträumt.
    Alexanders Richterspruch über Theben stand fest; aussprechen aber ließ er ihn kluger- und tückischerweise vom »Synhedrion«, den seinerzeit in Korinth vereinigten Städten; sie »erkannten« auf völlige Zerstörung Thebens bis auf den Grund, auf Abtransport der gesamten Bevölkerung in die Sklaverei und Ächtung der Flüchtigen.
    Als das Urteil Punkt für Punkt mit grausamer Sorgfalt vollstreckt war, eilte eine athenische Gesandtschaft herbei und überbrachte Alexander die Glückwünsche des Volkes zur »siegreichen Niederwerfung Thebens«. Jetzt, meine Freunde, werden Sie begreifen, warum das 20. Jahrhundert sich so besonders hartnäckig als Erben der athenischen Demokratie bezeichnet.
    Alexander hat ein einziges Haus in Theben geschont: das Haus, in dem einst Pindar wohnte — Thebens »Goethehaus«. An dieser Stelle angekommen, scheint mir ein Gedankenstrich nicht unangebracht.

    Griechenland (vergessen Sie nicht: immer außer Sparta) wagte kaum noch zu atmen. Es fraß Alexander, dem lieben jungen Herrn, aus der Hand, so sagt man doch?
    Der König hatte besagte Hand wieder etwas röter, aber frei, und das ist immer die Hauptsache.
    Und jetzt ist es soweit! Es folgt jenes Ereignis, das die halbe Welt durcheinanderwirbelte und dessen Wellen bis an die fernen Gestade von Britannien und Indien schlugen, jenes Ereignis, durch das Alexander erst zu der sagenhaften Figur der Historie wurde: sein Perserfeldzug. Nur einer, ein einziger Mann der Geschichte, der Großkhan Ogodei, hat noch einmal etwas Ähnliches vollbracht.
    Von nun an tritt Alexander aus jedem Rahmen heraus, verliert den Sinn für alle Vaterländer, für Ort und Zeit und alle Gesetze des Lebens. Unter Philipp war Hellas ein makedonisches Dominium, meinethalben noch härter gesagt: eine Kolonie; unter Alexander wird es ein liegengelassenes Nichts. Eine vergessene Geliebte der Welt, die nun ihre Memoiren schreiben kann.
    Ehe Alexander aufbrach, galt es, zuvor eine Kleinigkeit zu erledigen, eine angenehme Kleinigkeit: Der König war unverheiratet, und die Generäle rieten dringend, noch vor dem Feldzug für Nachkommenschaft zu sorgen, um eventuelle spätere Thronwirren zu verhindern. Da man nun aber von
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