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Prophezeiung

Prophezeiung

Titel: Prophezeiung
Autoren: Sven Böttcher
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    Prolog
    Wenn das Meer vom Himmel gefallen ist, mitten in der Wüste, ein Meer aus Wellen, deren Wasser niemand zu trinken vermag, werdet ihr eure Stämme nach Norden führen und das Land eurer Väter verlassen, für immer.
    Djamal stand um Ufer des kalten Meeres, im heißen Saharawind, und fror unter seiner blauen Tunika.
    Es konnte nicht sein.
    Sie hatten doch alle gewusst, dass Mohammed Omar bloß ein alter Narr gewesen war, ein Wahnsinniger. Der seine letzten Lebensjahre in einer Welt zwischen dieser und dem Himmelreich verbracht und Dinge gesehen hatte, die niemand sah. Dinge, die es nicht gab. Und nie geben würde.
    Sie hatten über ihn gelacht. Hinter seinem Rücken, versteht sich, denn es gehörte sich nicht, über die Alten zu lachen.
    Zwei Tage war Djamal geritten. Zwei Tage lang, nachdem der Führer der Salzkarawane von Bilma nach Agadez ihm und den Seinen bei seiner Rast in der Oase berichtet hatte von dem silbernen Meer, das aus dem Himmel über die Wüste gefallen war.
    Djamal hatte es nicht geglaubt.
    Und jetzt stand er am Ufer, kniete sich hin und griff in die spiegelnde, silberne Fläche, die sich bis zum Horizont erstreckte.
    Ungläubig betrachtete er den schmalen Silberstreif zwischen seinen Fingern. Ungläubig ließ er ihn los und sah zu, wie der Streifen abwärtssegelte, wie eine Feder im Wind, schaukelnd von links nach rechts, und sich wieder einfügte zwischen seine unzähligen Brüder.
    Wo der Wüstenwind nach den Streifen griff und mit ihnen spielte, sah es tatsächlich aus wie das, was Djamal nur aus dem schrecklichen Fernsehapparat kannte, den Ahmed aus Agadez mitgebracht hatte, letztes Jahr. Wasser. Wellen. Ein Meer.
    Ein Meer aus wehenden Wellen, deren Wasser niemand zu trinken vermag.
    Der Targi setzte sich ans Ufer und blickte düster über die gleißende Fläche. Was Mohammed Omar, der Verrückte, der Narr, vorhergesagt hatte, war geschehen.
    Das Meer bringt Staub. Auch die letzten Sträucher werden vergehen, auch die letzten Ziegen werden die Tuareg verlieren, und vergehen wird ihr stolzes Geschlecht, wenn sie nicht das Land ihrer Väter verlassen und nach Norden gehen, zum Wasser.
    Sie würden das Land ihrer Väter verlassen, für immer.
    Sie würden nach Agadez gehen, zunächst. Dorthin, wo alle Trecks begannen, seit Jahren, die Trecks der Verzweifelten und Verlorenen, die aufbrachen ins Gelobte Land, nach Norden.
    Er hatte viel darüber gehört.
    Niemand kehrte je zurück.
    Und niemand wusste, wie viele von denen, die aufgebrochen waren, ihr Ziel erreicht hatten.
    Djamal erhob sich aus dem Sand, stieg auf sein Dromedar und brachte das Tier mit einem scharfen Befehl auf die Beine.
    Er fluchte, als er das Dromedar wendete.
    Verfluchte den alten Narr.
    Und betete zu Allah.
    Steh uns bei.

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    I
PROMETHEUS
___________
    Was unsere Vorstellungen und unser Denken dominiert, bestimmt unser Leben und unseren Charakter. Daher obliegt es uns, den Gegenstand unserer Anbetung mit Bedacht zu wählen, denn was wir anbeten, dazu entwickeln wir uns.
    – Ralph Waldo Emerson –
    I think, therefore IBM .
    – David Ogilvy –

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    1 Als sie dachte, sogar der Regen wird mir fehlen, musste Mavie Heller über sich selbst lachen. Was zum Glück niemand hörte, da sie allein auf der großen überdachten Terrasse stand, im sanften Januarwind mit dem Rücken gegen das Geländer gelehnt. Ihr letztes Champagnerglas war leer, ihre Gäste hatten sich verabschiedet, bis auf Daniel und Helen. Mavie hatte beim Zusammenräumen der Teller und Gläser helfen wollen, die der Cateringservice am nächsten Morgen abholen würde, aber das hatten die beiden ihr untersagt. Und sie nach draußen geschickt, zum stillen Abschiednehmen.
    Der Blick, der sich ihr bot, half dabei allerdings wenig. Niemand, der von hier oben, aus dem obersten Stockwerk der verglasten Hafen City, über den Hamburger Hafen schaute, nach links auf die Landungsbrücken und die majestätisch aus dem Strom ragende Elbphilharmonie, konnte ernsthaft abreisen wollen. Auch jetzt, um kurz vor ein Uhr morgens, wurde am gegenüberliegenden Ufer gearbeitet, entluden fahrbare Riesenkräne Containerschiffe und zauberten Schattenspiele auf die Dächer der Lagerhäuser unter ihnen, unterlegt vom stetigen leisen Rauschen der Stadt, die nie so ganz schlief. Nicht hier, nicht am Hafen, nicht auf dem nahen Kiez.
    Unter sich, auf dem Wasser, sah sie die Schlepper. Die würden ihr allerdings nicht fehlen. Erst recht nicht das, was sie ausdauernd aus
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