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Rolf Torring 074 - Der Zauber-Gürtel

Rolf Torring 074 - Der Zauber-Gürtel

Titel: Rolf Torring 074 - Der Zauber-Gürtel
Autoren: Hans Warren
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aus Jagdalpur den Weg gefunden.  
      Ich wurde bei diesen Überlegungen immer trübseliger, zumal wir schon mindestens eine halbe Stunde von der Lichtung wegtransportiert worden waren.  
      Trotzdem vergaß ich nicht, auf den Weg zu achten, der plötzlich nach Westen abbog. Anscheinend machten wir einen großen Bogen und näherten uns mit gehörigem Abstand wieder der Ausgangsstelle. Der Schlupfwinkel unserer Überwältiger mußte sich demnach nördlich der Urwaldsiedlung befinden.  
      Vielleicht hatten die seltsamen Gläubigen, die nur das Beste wollten und deshalb so gehaßt wurden, ihre Feinde ganz in der Nähe, ohne es zu ahnen.  
      Der enge Pfad machte einen scharfen Knick nach Westen. Dann sah ich eine lange, schmale Lichtung vor mir, an deren Rändern Bambushütten standen.  
      Wir wurden zwischen ihnen hindurch getragen. Am Ende der Lichtung ragte ein niedriger, aber breiter viereckiger Turm aus mächtigen Steinquadern empor, ein offenbar sehr altes, aber gut erhaltenes Bauwerk.  
      Wir wurden um die linke Seite des Turmes herumgetragen und auf die Füße gestellt. Je zwei Inder hatten uns an den Armen gepackt und hielten uns fest, während einer ihrer Genossen an eine schmale Öffnung trat, die vor uns in der Mauer sichtbar war.  
      Die Bewegungen des Mannes machten einen zögernden, fast scheuen Eindruck. Ehe er in der dunklen Öffnung verschwand, verbeugte er sich mit über der Brust verschränkten Armen.  
      Das Oberhaupt der Inder schien es verstanden zu haben, sich in großes Ansehen zu setzen. Deutlich konnte ich spüren, daß die beiden Inder, die mich hielten, leise zitterten.  
      Da bekam ich neue Hoffnung. Vielleicht hatten die Inder mit unserer Gefangennahme einen Mißgriff begangen. Vielleicht sollten auf Befehl ihres Führers nur die Inder der seltsamen Sekte gefangen werden. Vielleicht zitterten unsere Wächter deshalb. Sie ahnten wohl, daß ihrem Führer die Gefangennahme zweier Europäer nicht recht sein würde.  
      Ich blickte Rolf an und bemerkte an seinem Gesichtsausdruck, daß er mit ähnlichen Gedanken spielte. Er lächelte leise und nickte mir zu. Jetzt sah ich mit Ruhe dem Erscheinen des Obersten entgegen.  
      Der Inder, der unsere Ankunft gemeldet hatte kam aus dem Turm zurück; er ging rückwärts und hatte die Arme wieder über der Brust gekreuzt. Mit vielen Bücklingen bewegte er sich nur langsam, er durfte dem Führer wohl nicht seinen Rücken zeigen.  
      Auch die Männer, die uns bewachten, verbeugten sich, ohne dabei ihre schmerzenden Griffe um unsere Arme zu lockern. Einige Minuten verstrichen, dann trat eine hohe Gestalt langsam aus der Turmöffnung heraus.  
      Im ersten Augenblick zuckte ich erschrocken zusammen. Ich hatte die Empfindung, daß der Tod persönlich vor mir stände. Der hochgewachsene Inder trug ein langes, gelbseidenes Gewand. Er hatte ganz schmale Hüften, so daß seine Figur, die unter der Seide des Gewandes deutlich hervortrat, den Eindruck eines Skeletts machte. Die schmalen Hände mit den langen, dürren Fingern waren leicht emporgehoben.  
      Schrecklich wirkte sein Gesicht. Der Schädel war nur mit fast durchsichtiger Haut überzogen. Eine Spur von Fleisch war kaum zu entdecken. Die schmalen Lippen waren weit zurückgezogen und ließen lange, gelbe Zähne frei. Weit traten die Backenknochen hervor, tief lagen die Augen in den Höhlen unter der vorspringenden, knochigen Stirn.  
      Er musterte uns flüchtig und warf einen bösen Blick auf unsere Wächter. Die begannen, obwohl sie noch immer in gebückter Haltung verharrten, stärker zu zittern. Sie mußten den Blick fühlen, ohne ihn zu sehen, und ahnten wahrscheinlich, daß ihnen eine empfindliche Strafe drohte.  
      Mit tiefer, hohler Stimme, die zum Aussehen paßte, sagte der Führer zu uns:  
      „Meine Herren, meine Leute haben einen Mißgriff begangen. Wenn Sie mir Ihr Ehrenwort geben, über das Geschehene gegenüber jedermann zu schweigen, sind Sie frei."  
      „Selbstverständlich," sagte Rolf sofort, „wir betrachten die Sache als ein Abenteuer. Das kann immer einmal passieren. Mein Ehrenwort: ich schweige über unsere Gefangennahme und das, was ich hier gesehen habe, wenn ich sofort freigelassen werde."  
      „Und Sie, mein Herr?" wandte sich der Inder an mich.  
      „Auch ich gebe mein Ehrenwort."  
      „Sie beherrschen die englische Sprache gut, aber doch mit leichtem Akzent," sagte der Inder interessiert. „Sie sind keine Briten?"
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