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Römischer Lorbeer

Römischer Lorbeer

Titel: Römischer Lorbeer
Autoren: Steven Saylor
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verloren hatte. Ich habe überall nach ihm gesucht.
Überall, außer in der Kassette. Schließlich
hab’ ich es aufgegeben. Den übriggebliebenen Ohrring
habe ich Titania geschenkt.«
    »Ja, sie hat es
mir erzählt.« Ich schüttelte erneut den Kopf.
»Du hast das Schloß einfach aufgebrochen
zurückgelassen. Du hast nie versucht, das Gift zu ersetzen,
und sei es nur durch etwas, was so ähnlich aussah.« Ich
zuckte innerlich zusammen. »Das allein hätte mir sagen
müssen, daß Bethesda nicht verantwortlich war. Sie
hätte ihre Spuren verwischt! Es war kindisch, Diana, zu
glauben, du könntest all diese Indizien hinterlassen, ohne
entdeckt zu werden. Wann hast du es deiner Mutter
gestanden?«
    »Erst am Tag
nach Clodias Besuch.«
    »Warum hast du
so lange gewartet? Es überrascht mich nicht, daß du es
mir nicht erzählt hast, aber ich dachte, vor deiner Mutter
hättest du keine Geheimnisse?«
    »Ich hatte vor,
es ihr zu sagen, gleich nachdem Dio das Haus verlassen hatte. Ich
wollte es ihr sagen. Aber ich hatte auf einmal Angst. Dann war ich
durcheinander. Am nächsten Tag, nachdem du weg warst, erfuhren
wir, daß Dio gestorben war. Ich konnte sehen, daß es
für Mutter eine Genugtuung war, auch wenn sie kein Wort
darüber verloren hat. Aber alle sagten, Dio wäre
erstochen worden, und wenn dem so war, wie konnte ich ihn vergiftet
haben? Vielleicht war das Zeug doch harmlos gewesen, dachte ich,
und gar kein Gift, sondern bloß ein gelbes Gewürz. Es
kam mir alles so merkwürdig vor. Ich wußte nicht, was
ich tun sollte. Ich wollte es einfach nur vergessen und nichts mehr
damit zu schaffen haben.«
    Ich nickte.
»Bethesda hat die Wahrheit also erst nach Clodias Besuch
erfahren. All ihre Einwendungen, Caelius wäre unschuldig,
waren bloße Vermutungen! Außerdem war sie sicher,
daß Caelius Clodia nie und nimmer vergiften würde. Nun,
sie hat sich in beiden Fällen geirrt - Caelius hat sein Bestes
versucht, sowohl Dio als auch Clodia zu ermorden. Soviel zu
Bethesdas Menschenkenntnis. Soviel auch zu meiner Bewunderung
für Dio! Was hat dich veranlaßt, ihr doch noch alles zu
sagen?«
    »Ich hörte,
wie sie Clodia erzählte, was ihr und ihrer Mutter widerfahren
ist, als sie noch ein Mädchen war. Ich war erstaunt, daß
sie mit einem anderen Menschen außer mir darüber sprach.
Ich mußte weinen. Danach habe ich endlich beschlossen, ihr
alles zu sagen, nicht weil ich stolz auf das war, was ich getan
hatte, sondern weil ich vor ihr keine Geheimnisse haben wollte. Am
Abend, nachdem Clodia gegangen war, habe ich es ihr gesagt. Sie
meinte, wir dürften es keinem Menschen erzählen.
»Nicht einmal Papa?‹ fragte ich. »Vor allem dem
nicht! ‹
    Doch als ihr ein paar
Tage später von Clodias Fest nach Hause kamt und Mutter in
meinem Zimmer war, um mir von dem Fest zu erzählen, bist du
auf einmal hereingestürmt und hast sie angeschrien. Du hattest
nach dem Gift gesehen und das aufgebrochene Schloß und die
leere Pyxis gefunden. Du hast den Ohrring auf den Boden
geworfen - und mir fiel wieder ein, wo ich ihn verloren hatte. Aber
was du gesagt hast, ergab überhaupt keinen Sinn. Aus
irgendeinem Grund schienst du zu glauben, Mutter hätte das
Gift für Clodia gestohlen …«
    Ich schüttelte
stöhnend den Kopf. »Ich habe sie beschuldigt, mich
getäuscht zu haben, und sie hat es zugegeben -aber wir haben
von unterschiedlichen Dingen gesprochen! Ich dachte, sie hätte
Clodia hinter meinem Rücken das Gift gegeben, doch die
Täuschung bezog sich auf etwas ganz anderes - sie wußte,
daß du Dio vergiftet hattest, und hat es mir
verschwiegen.«   
    Diana nickte.
»Nachdem du aus dem Haus gestürmt bist, sagte Mutter zu
mir: ›Wenn er die Wahrheit herausfindet, halt den Mund. Ich
werde die Schuld auf mich nehmen.‹ Aber du hast dennoch
herausgefunden, daß ich es war, oder, Papa?« Sie sprach
ohne Reue, vielmehr mit einem stolzen Unterton - stolz, daß
Bethesda sie gedeckt hatte und stolz, daß ich es trotzdem
herausgefunden hatte.
    Ich betrachtete ihr
Gesicht in dem weichen Licht, das aus dem Garten hereinfiel, und
sah eine Kindfrau mit glänzendem schwarzen Haar und den
Ansätzen fraulicher Schönheit. »Ich weiß
nicht, was ich von dir halten soll, Diana. Du bist mir ein
Rätsel, genau wie deine Mutter. Warum hast du es getan? Was
hat dir die Kraft gegeben, es wirklich zu tun?«
    »Wie kannst
ausgerechnet du das nicht verstehen, Papa? Weißt du noch, wie
wir vor einer Weile in diesem Zimmer waren und ich den Brief
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