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Römischer Lorbeer

Römischer Lorbeer

Titel: Römischer Lorbeer
Autoren: Steven Saylor
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einige
liegengebliebene Briefe verschickt werden und so
weiter.«
    »Selbstverständlich«,
sagte ich. ›Und gute Reise.‹«
    Gemeinsam betrachteten
wir die Brechung des Sonnenlichts im Wasser. »Beim Aufbruch
wandte sie sich, schon in der Tür, noch einmal um und rief
meinen Namen. Ich lief zu ihr. ›Und sag niemandem, wohin ich
reise‹, sagte sie. »Natürlich nicht«, sagte
ich. Aber ich nehme an, es ist in Ordnung, wenn ich es dir
erzähle, Gordianus. Du kannst ein Geheimnis bewahren. Du bist
tatsächlich der ehrlichste Mann Roms, was?« Seine Lippen
formten sich zu einem spöttischen
Lächeln.   
    »Hatte sie
spät in der Nacht noch einen Besucher?«
    Trygonion sah mich
leeren Blickes an, bevor er matt lächelte. »Oh, den
Dichter, meinst du, der auf dem Fest diese schrecklichen Dinge
über Attis vorgetragen hat. Ja, einer der Sklaven hat mir
erzählt, daß er mitten in der Nacht betrunken und
randalierend an die Tür gepocht hätte. Ein denkbar
schlechter Zeitpunkt; Clodia war nicht in der Stimmung,
belästigt zu werden. Sie schickte Barnabas und ein paar
stämmige Freigelassene, um ihn zu vertreiben. Aber ich
glaube, außer einer gebrochenen Nase
ist ihm kein größerer Schaden zugefügt
worden.«
    Ich dachte an den
armen Catull, der verkatert und mit gebrochener Nase allein mit
seinen Schriften in seinem schäbigen Zimmer hockte. »Und
einem gebrochenen Herzen. Sie ist eine kalte
Frau.«
    Trygonion sah mich
scharf an. »Du bist wie alle anderen. Du denkst, sie
fühlt nichts. Aber natürlich fühlt sie etwas. Wie
sollte es anders sein, da sie ist, wer sie ist? Sie fühlt
alles. Ich staune, daß sie es ertragen
kann.«
    Der Gesang wurde
traumartig und magisch. Die auf dem Wasser glitzernden
Sonnenstrahlen schmerzten in den Augen. »Und du, Trygonion?
Bist du genauso? Jeder denkt, du fühlst gar nichts, aber in
Wirklichkeit -«
    Er sah mich fest an,
aber in seinen Augen standen Tränen, die mich herausforderten
weiterzusprechen; doch ich ließ den Rest des Gedankens
unausgesprochen.
    Ich kehrte auf
demselben Umweg zu Ecos Haus zurück.
    »Vielleicht
solltest du Meto einen Brief schreiben«, schlug Eco vor.
»Das hat dir doch schon oft geholfen, deine Gedanken zu
ordnen.«
    »Ich glaube
nicht, daß es klug wäre, belastende Informationen
über meine Frau in einem Brief festzuhalten.«
    »Du kannst ihn
ja hinterher immer noch verbrennen. Tust du das nicht ohnehin
oft?«
    Manchmal denke ich,
meine Söhne kennen mich einfach zu gut. Ich fragte Eco, wo er
seine Schreibutensilien aufbewahrte, setzte mich in sein kleines
Arbeitszimmer und starrte lange auf das Pergament, bevor ich zu
schreiben begann:
    *
    An meinen geliebten
Sohn Meto, in militärischen Diensten unter dem Oberbefehl von
Gaius Julius Caesar in Gallien, von seinem Vater in Rom, möge
Fortuna mit dir sein. Ich schreibe diesen Brief an den Nonen des
Aprilis, dem zweiten Feiertag zu Ehren der Großen
Mutter…
    Ich legte den Stylus
beiseite und starrte erneut auf das Pergament, als ich von der
Tür her ein Geräusch hörte. Ich blickte auf und sah
Meto.     
    Die Götter lieben
es, uns unvorbereitet zu treffen. Unsere Lebensfäden verweben
und kreuzen sich in einem Muster, das kein Sterblicher je
durchschauen kann: Ich hatte meine Gedanken Meto zugewendet, und
nun stand er in Fleisch und Blut vor mir, als hätte meine
Sehnsucht ihn heraufbeschworen.
    »Beim
Herkules!« flüsterte ich. »Was machst du denn
hier?«
    Plötzlich tauchte
sein älterer Bruder hinter ihm auf, und beide brachen in
lautes Lachen aus.
    »Du
wußtest es, Eco!« sagte ich. »Er war schon hier,
als du vorgeschlagen hast, ich sollte einen Brief
schreiben!«
    »Natürlich!
Aber ich konnte mir den Spaß nicht entgehen lassen. Meto ist
eingetroffen, kurz nachdem du zu Clodia aufgebrochen warst. Als wir
hörten, daß du zurückkommst, habe ich gesagt, er
solle sich verstecken. Du solltest mal dein Gesicht
sehen!«
    »Seinem Vater
Streiche zu spielen, ist verwerflich.«
    »Ja, aber jetzt
lächelst du wenigstens wieder«, sagte Eco.
    Ich schob das
Pergament beiseite. »Gut, daß du hier bist, Meto.
Alles, was passiert ist, zu Papier zu bringen, wäre schlicht
unmöglich gewesen!« 
    Er lächelte und
setzte sich neben mich. »Ich kann von Glück sagen,
daß ich heil hier angekommen bin.«
    Ich legte meine Hand
auf seine und hielt die Luft an. Ich machte mir ständig Sorgen
um ihn, weil ich um die Gefahren wußte, denen er sich in
Gallien gegenübersah. Aber das hatte er gar
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