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Robinas Stunde null

Robinas Stunde null

Titel: Robinas Stunde null
Autoren: Alexander Kröger
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was aus uns wird,
aus uns Menschen, meine ich.“
„Das haben wir auch ohne deine Sprüche begriffen“,
behauptete er selbstgefällig.
Sven schaltete sich ein: „Wir sind nämlich auf dem Weg nach
EUROCITY.“
Robina lachte. „Na, sicher! Da kommt ihr gewiss auch hin,
wenn ihr die Donau weiter stromabwärts fahrt.“
„Wir wollen uns noch ein wenig umschauen vor Helens
Niederkunft, das ist doch normal, oder?“, erwiderte Sven
unwirsch.
Robina schwieg, nickte leicht.
„Wann? Habt ihr euch das gut überlegt – in dieser Zeit?“
Gleich, nachdem die Frage heraus war, ärgerte sich Robina
darüber.
„Wann denn sonst, wenn nicht in dieser Zeit“, konterte Sven
folgerichtig. „Oder
– sollen die Schweine, die uns das
eingebrockt haben, noch nachträglich die Menschheit
hundertprozentig ausrotten? Na, siehst du“, setzte er hinzu, als
er sah, dass Robina nachdenklich durch leichtes Nicken
zustimmte.
„Wir befanden uns in einem Unterseeboot“, beantwortete
Helen die vordem gestellte Frage.
„Auf einem Klassenausflug an die Adria“, ergänzte Ingrid.
Der Anflug von Arroganz war aus ihrem Gesicht gewichen.
Sie sagte es leise.
Robina fiel Andrass Schilderung ein, wie er die Welt vorfand,
als er aus der Eishöhle kam. Was mussten die jungen Leute
durchgemacht haben… „Habt ihr – viele getroffen, auf eurem
Weg hierher?“, fragte sie.
„Keine fünfzehn“, antwortete Arne in normalem Tonfall.
„Nicht weit von hier, auf einer Flussinsel, sind noch zwei
Nackte, ein Mann und eine Frau.“
„Sie werden nicht immer nackt sein.“ Robina lächelte
verschmitzt. „Also, was ist? Der Tag ist vorbei. Ich lade euch
zum Abendessen ein. Ihr campiert hier, und Morgen gibt’s
Frühstück und Gas. Okay?“
Insbesondere den jungen Frauen sah man die Erleichterung
an.
Sven bestätigte freudig: „Okay.“
Arne nickte mit unbeweglicher Miene. –
7
    Als sich Robina mit ihrem Gespann auf der Brücke befand,
hielt sie, ging ans Geländer und schaute flussauf, hin zur Insel.
Noch einmal erinnerte sie sich der wundervollen Stunden dort,
und sie wünschte innig, Andras möge sein Versprechen
wahrmachen, sich EUROCITY anzuschauen, wenn sie sich
von dort melden würde. Doch noch fühlte sie sich mit sich
selber uneins, noch wusste sie nicht wirklich, was sie
eigentlich wollte. Das Zusammentreffen mit den jungen Leuten
beschäftigte, ja deren Haltung beschämte sie irgendwie.
    Robina hatte sich in den Kopf gesetzt: Den Dom zu Köln
musste sie aufsuchen! Dann würde man weiter sehen. In all
den Jahren hatte das grandiose Bauwerk in ihrem Erinnern eine
große Rolle gespielt. Es widerspiegelte das Bemühen Eds um
den Erhalt des Unwiederbringlichen, und sie hatte dazu die
Klage des alten Organisten im Ohr: „Weil sie es
kaputtmachen.“ –
    Ursprünglich wollte sie auf dem Weg zum Rhein all die Städte
aufsuchen, die gleichsam an der Strecke lagen, die sie nicht
kannte oder wiedersehen wollte: Wien, Bratislava, Brunn,
Prag, Dresden…
    Als sie in Wien einfuhr, begann sie mit ihrer Zeit zu geizen,
zumal die Vorstadt, das Zentrum, die gleiche nervende Öde
boten, zornige und schmerzliche Erinnerungen weckten, wie
sie dieses aus Budapest kannte. Aber sie meinte, den
Stephansdom müsste sie sehen, warum, hätte sie nicht zu sagen
vermocht.
    Kaum hatte Robina das Mächtige betreten, noch nicht an das
Dämmerlicht gewöhnt, als hastige Schritte näher kamen und
sie überraschend ungestüm umarmt wurde. Sie erkannte eine
Frau mittleren Alters, die sich laut schluchzend an sie
klammerte.
    Vom Schreck erholt, löste sich Robina behutsam und sprach
beruhigend auf die Derangierte ein, führte sie zu den Bänken,
setzte sich neben sie und fragte, wie sie helfen könne.
    Dann fasste sich die Frau.
Robina betrachtete sie näher: Sie besaß ein rundes Gesicht,
das von krausen, dunklen Haaren umrahmt wurde, durch die
sich einige silbrige Strähnen zogen. Die großen Augen, deren
Farbe Robina im unzureichenden Licht nicht erkennen konnte,
standen weit auseinander. Hervorstehende Wangenknochen
ließen auf einen osteuropäischen Typ schließen. Schön
geschwungene Lippen und eine kleine Nase gaben dem
Gesicht eine gemütlich-sympathische Note.
    „Du bist seit mehr als einem Monat der erste Mensch, den ich
treffe. Ich werde noch verrückt. Entschuldige! Ich heiße Marie,
Marie Hedder.“ Sie drückte Robinas Hand, ein Nachschluchzer
schüttelte ihren Körper.
    „Und hier suchst du Trost?“, fragte Robina verstehend.
„Ich bin
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