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Robinas Stunde null

Robinas Stunde null

Titel: Robinas Stunde null
Autoren: Alexander Kröger
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Über zwanzig Jahre weiblicher Robinson.
Das ist tatsächlich mein Freitag.“ Robina beugte sich vor und
tätschelte auf Birnes Panzer. „Was der alte Defoe ersponnen
hat, habe ich erlebt. Aber warum ziehst du dich hierher, auf
diese Insel, zurück, sonderst dich ab? Im Kosmodrom und
ganz sicher auch anderwärts suchen sie händeringend Leute.
Noch nie hatte ein Mensch soviel Freiheit für kreative
Betätigung! Und du mit deinen Fähigkeiten…“
Der Mann lächelte traurig. „Wofür?“, fragte er. „Die Agonie
verlängern? Was glaubst du, was aus den paar Hanseln, die auf
der Erde noch krauchen, wird?“
„Na, immerhin sind es schon über dreihunderttausend, die
erfasst sind, sich irgendwie gemeldet haben. Und noch gibt es
täglich Zugang. Die Menschheit existiert also noch. Ein wenig
vernünftig gelenkt… Der erste Versuch der Evolution ist
gescheitert, mit den Erfahrungen sollte ein zweiter gelingen.“
Als Robina die Zahl nannte, zog Andras die Stirn in Falten,
sein Blick wurde aufmerksam. „Und wie sollte die vernünftige
Lenkung nach deiner Meinung aussehen, hm?“
„Nicht nach meiner Meinung, aber einleuchtend.“ Und
Robina gab wieder, was sie insbesondere von McLean und
während ihres Aufenthalts im Kosmodrom erfahren hatte.
Schließlich saß neben ihr ein sehr nachdenklich gewordener
Mann, der um sich in seinem Schmerz, seiner Trauer und
Hoffnungslosigkeit eine Mauer gegen das Leben errichtet
hatte. –
Es wurde Mittag, die Sonne stand im Zenit, strahlte heiß auf
die Insel.
    Birne hatte längst seine Bereitschaftshaltung aufgegeben und
sich energiesparend auf das Pflaster gelegt.
Die beiden Menschen auf der Bank schwiegen schon eine
Weile.
„Hast du Zeit? Ich lade dich ein zum Essen“, sagte da
Andras. „Wels und selbst geerntete Kartoffeln.“
Robina überlegte einen Augenblick. „Gern“, antwortete sie
dann. „Ich versäume nichts. Vorher würde ich aber gern
einmal eintauchen.“
„Aber ja, ich komme mit“, und er ließ sich in das Becken
gleiten.
Robina warf die Kleider ab und folgte.
Das Wasser war lauwarm, wenig erfrischend und fühlte sich
ein wenig seifig an, roch leicht schweflig, trug aber, und man
hatte unbedingt das Gefühl, als dränge es sanft in die Gelenke.
Sie schwammen im Kreis; Andras benahm sich wie ein
Seehund, tauchte unter und auf, prustete, warf sich auf den
Rücken, und er lachte, als Robina sich verschluckte.
„Schmecken tut’s nicht“, rief er. Dann hievte er sich kräftig auf
den Rand des Pools und sagte: „Kommst rüber.“ Er wies auf
das große Haus. „Ich setze schon die Kartoffeln auf. Habe
Hunger gekriegt.“
Eine Weile ruhte Robina noch in der wohligen Wärme, und
sie spürte, wie sanfte Müdigkeit sie erfasste. Entfernt erinnerte
sie sich vage, gehört zu haben, man solle das Baden in
Thermalwasser zeitlich nicht übertreiben. Sie stieg hinaus,
reckte und drehte sich mit empor gestreckten Armen in der
Sonne, raffte dann ihre Kleider, ohne sie anzuziehen, und
folgte der Einladung. –
„Zur Feier das Tages!“ Andras hob sein Glas. „Ich kann dir
gar nicht sagen, wie ich mich freue, dass du auf meine Insel
gekommen bist. Es ist schön, mit jemandem zu sprechen, wenn
er einem…“, er stockte, „auf den ersten Blick – sympathisch
ist. Und danken muss ich dir auch. Viel Neues habe ich
erfahren.“
Andras hatte eine Decke auf ein inmitten einer
naturbelassenen Wiese gepflegtes Rasenviereck gebreitet.
Sie relaxten nach einem vorzüglichen Mittagessen – der
Einsiedler hatte sich als perfekter Koch erwiesen –, tranken
Tokaier, genossen die Stille und ließen sich unbekleidet von
der Sonne bescheinen.
Birne nutzte die Gelegenheit, sich im Haus seine
Akkumulatoren nachzuladen.
Robina erinnerte sich nicht, dass sie sich in den letzten
Jahrzehnten einmal so wohl gefühlt hätte wie in diesen
Stunden auf der Insel. In unendlicher, verschwommener Ferne
lagen Bolid, ein Wankelstern und nebulös ein böser Traum von
einem Planeten gelöschten Lebens. Sie hörte zwischen Wachen
und Dämmern auf das schläfrige Piepsen der Vögel und das
leise Rascheln der Zitterpappeln. Vom Flussarm her wehte ein
angenehm kühlender Hauch.
Sie betrachtete den Mann neben sich. Er hatte die Augen
geschlossen, atmete ruhig, aber zwei gestreckte Finger seiner
linken Hand strichen unendlich zart über ihren Unterarm. Sie
trank einen Schluck, darauf achtend, das Spiel nicht zu
unterbrechen.
Andras sah sie an, drehte den Körper auf sie zu, stützte sich
dann
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