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Robinas Stunde null

Robinas Stunde null

Titel: Robinas Stunde null
Autoren: Alexander Kröger
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erwarten ließen, noch Sinn
machten.
    Da und dort sah sie in der Dämmerung die rotweißen Bänder,
die Absperrungen von Nebenstraßen markierten und die zu
ignorieren Mba sie nachdrücklich gewarnt hatte.
    Und dennoch lag im Anblick der im Abendwind leicht
flatternden Streifen ein Fünkchen Hoffnung: Sie zeigten, dass
eine Administration, dass selbst unter den Wenigen Fleißige
existierten, die bereits begonnen hatten, das Rückgewandte
abzuwerfen, Vorhandenes zu ordnen, Neues vorzubereiten.
    Die Hauptstraße mitten durchs Zentrum der Stadt, auf der
sich Robina bewegte, führte direkt an das Ufer der Donau.
Kurz entschlossen lenkte Robina in eine breite Promenade
ein, mit vielem Grün und bunten Blumenrabatten und
beschloss, die erste Nacht ihrer Reise auf diesem Platz zu
verbringen. Sie wies Birne an, die Stützen des Wohnwagens
abzusenken, einen Imbiss vorzubereiten und setzte sich dann
auf eine Bank am Flussufer.
Robina genoss die kribbelnde Ruhe, die nach der Fahrt in
ihren Körper einzog, sie entspannte sich zunehmend, hörte auf
das Glucksen des träge dahinziehenden Flusses zu ihren Füßen
und nahm nach und nach das vielstimmige Abendgespräch und
-singen der Vögel wahr. Ein mittelgroßer, fahlgelber Hund
trottete heran, schnupperte an Birne, an Robinas Beinen, tippte
mit feuchter, kühler Nase an die Wade und trollte sich.
Robina breitete die Arme, schaute lange und gedankenträge
ins Firmament. Die ersten Sterne glimmten auf. Einen
Augenblick schien ihr, als blinkte es dort: Drei mal kurz, drei
mal lang, drei mal kurz. Sie seufzte. ,Ich bin gerettet, jetzt bin
ich gerettet, bin endlich daheim…’ –
5
     
Sonnenschein und Vogelgezwitscher weckten Robina am
Morgen.
    Hoch über dem jenseitigen Ufer der Donau leuchtete
angestrahlt ein fast weißes Ensemble mit Mauern, Zinnen und
Türmen auf, als sei es von einem Konditor gefertigt. ,Die
Fischerbastei’, vermutete Robina. In einiger Entfernung
daneben eine trutzige Burg, dazwischen überall alte prächtige
Bäume, Buschwerk und im Hintergrund ein Kirchturm.
    Robina weidete sich am Anblick, vergaß die tote Stadt in
ihrem Rücken, und sie nahm sich vor, im Gegensatz zu ihrem
Entschluss bei ihrer Ankunft in der Stadt, das aus der Nähe zu
besichtigen. Doch eilig hatte sie es nicht.
    Robina stieg die Stufen zum Fluss hinab, tauchte einen Zeh
ein, überwand sich schließlich, warf die Kleider ab und glitt ins
kühle, ziemlich klare Nass. ,In der Tat, klar!’ Robina stutzte.
Es hatte lange nicht geregnet und – wieder beschlich sie ein
wenig Wehmut, aber auch ein Funke einer makabren
Genugtuung glimmte in ihr: ,Seit drei Jahren wird nirgendwo
mehr Dreck und Unrat in den Fluss geleitet’
Robina schwamm ausgiebig, hielt sich jedoch in Ufernähe.
Das träge Walzen des Wassers schien ihr nicht ganz geheuer.
    Nach dem Bad stellte sie ihr Tischchen auf, frühstückte
gemächlich, überlegte dann einen Augenblick, ob sie den
Wagen abschließen oder offen lassen sollte
– nicht eine
Menschenseele hatte sie bislang getroffen – entschloss sich
aber dann für’s Verriegeln, eingedenk der Raritäten, die Mba
in den Caravan geladen hatte.
    „Komm, Birne, wir gehen!“ Und sie schlug den Weg zur
Brücke ein, die unweit von ihrem Rastplatz den Fluss
überspannte. –
    Ein wenig fußlahm, aber noch aufnahmebegierig, stieg Robina
von den Budaer Bergen hinab zur Donau. Ihr
lokalgeographisches Wissen hatte sie einem etwas vergilbten
Stadtplan entnommen, der in einem Schaukasten hing. Lange
hatte sie von der Bastei aus den Ausblick hinüber nach Pest
und auf das ziselierte Parlamentsgebäude genossen. Nichts
erinnerte an den Hauch des Todes, der zäh in den Straßen
stand, die sie am Vortag passiert hatte.
    Von oben hatte sie flussaufwärts ein Eiland sehen können,
das sie für die vielgerühmte Margareteninsel hielt. Die
Entfernung schien ihr nicht allzu groß; dort wollte sie hin.
    Die Sonne meinte es sehr gut, und die Uferstraße zog sich.
Bei jedem Schritt machten sich Robinas strapazenentwöhnte
Füße bemerkbar. „Birne, wäre ich dir zu schwer?“, fragte sie
den Roboter.
    „Ich benötige auf dem Planeten mehr Energie für mein
Antischwerefeld. Aber du bist nicht zu schwer.“
Robina saß auf wie weiland die feinen Frauen im
Damensattel. „Langsam“, bat sie; denn sie hatte wenig Halt auf
der glatten, gewölbten Metallhaut.
Hätte jemand die beiden dort die Donau entlang wandeln
sehen, er hätte selbst im irdischen Automatenzeitalter seinen
Augen
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