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Robinas Stunde null

Robinas Stunde null

Titel: Robinas Stunde null
Autoren: Alexander Kröger
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hielten
öfter an, um die majestätischen Ausblicke auszukosten,
suchten schon nachmittags den Standplatz für die Nacht,
bummelten und genossen Abendstimmung und
Sonnenuntergang – drei Tage lang.
Doch am letzten Tag der Fahrt gab es für Robina kein Halten
mehr. Auch Marie hatte sich vom Erwartungsfieber anstecken
lassen, zumal sie bereits am vorangegangenen Tag mehr
Menschen getroffen hatten als auf der gesamten Reise vorher.
Drei Mal hatten sie einen Truck überholt, an ihnen selbst
fuhren mehrere vollbesetzte Autos vorbei, deren Insassen
ihnen enthusiastisch zuwinkten. Sogar einen rollenden Zug
sahen sie in der Ferne, der schwere Maschinen, Bulldozer,
Bagger, Dumper und Baumaterialien transportierte.
Am frühen Nachmittag erreichten sie das Meer. Und sie
rollten auf der Uferstraße ihrem Ziel, dem ehemaligen Babel
des Luxus’, Reichtums und Müßiggangs zu, der französischen
Riviera.
Von Kilometer zu Kilometer wuchs in Robina eine
unbeschreibliche Freude und ein nie gekanntes Glücksgefühl.
Marie saß aufrecht neben ihr mit gerötetem Gesicht und
gespannter Aufmerksamkeit. Sie saugte förmlich mit Blicken
auf, was draußen an lang Vermisstem und Ersehntem
vorbeizog.
Schon konnte man meinen, es gäbe die toten Städte nicht,
nicht die verödeten Häuser, die leeren Blechschlangen an den
Straßen.
Bald pulsierte um sie herum emsiges Leben. Ein fast dichter
Straßenverkehr nahm sie auf; Robina musste sich ernsthaft
konzentrieren und auf einmal ihre Fahrweise dem anderer
Mobile anpassen.
Wo man hinschaute wurde gebaut und gewerkelt. Neben
nostalgischen Villen und Casinos, Hotels und Palästen, standen
bereits oder waren im Entstehen, harmonisch sowohl an die
Landschaft als auch an das Alte angepasst, neue, meist
terrassenförmig angelegte Wohnanlagen.
Aber es gab doch einen Unterschied zu früheren solchen
Durchfahrten: Die Leute, selbst eilige, schauten auf, wenn sich
ihnen das Gespann der beiden Frauen näherte. Viele verharrten
einen Augenblick, und fast jeder winkte den beiden freudig zu.
Selbst die meisten Fahrzeuge gaben ein BegrüßungsLichtzeichen. Und ein Zweites: Wenig, eigentlich nur
vereinzelt, Kinder konnte man unter den Passanten sehen.
Auf großen Schrifttafeln am Straßenrand wurden die
Neubürger von EUROCITY herzlich begrüßt und darauf
aufmerksam gemacht, wo sie sich einfinden und über die
Gegebenheiten informieren konnten. Wegweiser beschrieben
den Kurs, und schließlich näherten sich Robina und Marie
einem Prachtbau, in dem sich die Regulatur EUROCITYs
etabliert hatte. Und, ungeahnt, Robina hatte leichte
Schwierigkeiten, für das Gespann einen Abstellplatz zu finden.
Am Gebäude pendelten ununterbrochen die schweren Türen.
Robina und Marie reihten sich in das Kommen ein, und sie
waren im Voranschreiten sofort ins allgemeine Fragespiel
einbezogen: „Wo kommst du her? Bleibst du? Was willst du
tun?“
Entgegen der Befürchtung, Registrierung und Beratung
würden bei dem Ansturm lange dauern, ging es
wohlorganisiert zügig.
Nachdem die beiden Frauen die Frage, ob sie, natürlich nach
momentanem Dafürhalten, bleiben wollen, bejaht hatten, nahm
eine flinke Dame an einem Computer Daten auf, und wenig
später erschienen auf dem ihnen zugewiesenen Bildschirm eine
Reihe von Angeboten. Robina entschied sich für die Mitarbeit
im Institut für Angewandte Gravitationsforschung der
neugegründeten Universität, Marie für das Kulturhistorische
Archiv, dem eine immense Bedeutung zufiel.
Der nächste Schritt verlangte eine Entscheidung zum
Wohnen: Noch ständen eine Reihe prächtiger Wohnbauten zur
Verfügung, die allerdings renoviert werden müssten, was
immer das heißen mochte. Moderne Wohnungen in
Terrassenanlagen und Individualbauten würden laufend
entstehen, eine Neumöblierung sei noch nicht umfassend
möglich; das Angebot an ausgezeichnetem Gebrauchten sei
jedoch riesig.
Die Tätigkeitsbereiche der beiden Frauen lagen territorial
weit auseinander; Marie wollte lieber in einem Altbau, Robina
in einem Terrassenhaus wohnen. So entschieden sie sich dafür,
dass jede für sich den Neubeginn versuchen wollte, ohne
natürlich ihre Freundschaft aufzugeben.
Beim Abschied bedankte sich Marie überschwänglich bei
Robina, die sie für ihre Lebensretterin hielt. –
    Am 27. Tag nach ihrer Ankunft in EUROCITY saß Robina
gemeinsam mit einigen anderen Frauen, jungen und auch
älteren, im Wartebereich der Medizinischen Einrichtungen.
Das große Foyer des ehemaligen Luxushotels vermittelte
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